Warten: schon das Wort klingt schrecklich. Wie dann damit umgehen, wenn Paulus rät, auf Gottes Reich einfach nur zu warten?

Predigt über Römer 8,18–25: Nicht warten, sondern gestalten

Am Drittletzten Sonntag des Kirchenjahres, 12.11.2023. Veröffentlicht 12.11.2023, Stand 15.12.2023, 1137 Wörter.

Siehe auch die ältere Predigt über Römer 8,18–25: In der Welt sichtbar werden aus 2010.

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit Euch allen!

Hinführung zum Predigttext

Liebe Gemeinde, der Predigttext heute am drittletzten Sonntag des Kirchenjahres steht im Römerbrief.

Für Paulus geht es im Römerbrief darum, sich der römischen Gemeinde vorzustellen. Er war bisher nicht dort gewesen und der Brief soll seine Ankunft vorbereiten. Deshalb erläutert Paulus den Römern seine Theologie: Was und wie er glaubt. Eines war für Paulus gewiss: Die Wiederkunft Christi würde nicht mehr allzu lange dauern; er würde das noch miterleben.

Seine Gegenwart erlebte Paulus als schwierig, denn der neue Glaube der Christen wurde nicht akzeptiert: Die Juden lehnten ihn als Aberglauben ab, den Römern erschien es als Lästerung der Götter, an nur einen Gott zu glauben, und den philosophisch gebildeten Griechen musste Paulus geschickt klarmachen, wer Jesus ist. Häufig wurde er deshalb gefangen genommen und angeklagt oder musste Repressalien der Obrigkeit hinnehmen.

In dieser Situation, die Paulus als Leiden beschreibt, war ihm aber eines klar: für die Menschen, die zu Jesus Christus gehören, gilt vor Gott anderes. Auch wenn die jungen Gemeinden es schwer hatten und ihr Glaube abgelehnt wurde, war Paulus folgender Überzeugung … – ich lese den Predigttext aus Römer 8:

Ich bin überzeugt: Das Leid, das wir gegenwärtig erleben, steht in keinem Verhältnis zu der Herrlichkeit, die uns erwartet – und die Gott an uns offenbar machen will. Die ganze Schöpfung wartet doch sehnsüchtig darauf, dass Gott offenbart, wer seine Kinder sind. Denn die Schöpfung ist der Vergänglichkeit unterworfen – allerdings nicht aus eigenem Antrieb. Sondern Gott hat es so bestimmt. Damit ist aber eine Hoffnung verbunden: die Hoffnung, dass auch die Schöpfung selbst aus der Knechtschaft der Vergänglichkeit befreit wird. Und dass sie so zu der Freiheit gelangt, die Gottes Kinder in der Herrlichkeit erwartet. Wir wissen ja: Die ganze Schöpfung seufzt und stöhnt vor Schmerz wie in Geburtswehen – bis heute. Und nicht nur sie! Uns geht es genauso. Wir haben zwar schon als Vorschuss den Heiligen Geist empfangen. Trotzdem seufzen und stöhnen auch wir noch in unserem Innern. Denn wir warten ebenso darauf, dass Gott uns endgültig als seine Kinder annimmt – und dabei unseren Leib von der Vergänglichkeit erlöst. Denn wir sind zwar gerettet, aber noch ist alles Hoffnung. Und eine Hoffnung, die wir schon erfüllt sehen, ist keine Hoffnung mehr. Wer hofft schließlich auf das, was er schon vor sich sieht? Wenn wir dagegen auf etwas hoffen, das wir noch nicht sehen, dann müssen wir geduldig darauf warten.
— Röm 8,14–25 (Basisbibel)

Wer ist Kind Gottes?

Liebe Gemeinde, die Gegenwart der Christen damals beschreibt Paulus als Leiden – als Leiden wegen des Glaubens an Jesus Christus als Gekreuzigten und Auferstandenen. Seine Naherwartung der Wiederkunft Christi beschreibt er als »Harren«. Harren worauf? Darauf, dass die »Kinder Gottes« offenbar werden.

Im Griechischen verwendet Paulus für das »offenbar werden« das Verb apokalypsestai (w.: ἀποκαλυφθῆναι, V. 18) – Sie hören den Namen des letzten Buchs der Bibel, die Apokalypse oder Johannes-Offenbarung, anklingen. Denn dieses »offenbar werden« ist ein endzeitliches Geschehen, das Paulus noch zu seiner Zeit erwartet. Paulus schreibt, wer diese Kinder Gottes sind, die da offenbar werden sollen: »Die, die durch Gottes Geist geleitet werden, sind Gottes Kinder.« (Röm 8,14)

Warten in gefüllte Zeit verwandeln

Durch die Taufe sind wir Gottes Kinder. Im Predigttext geht es Paulus darum, dass wir als Kinder Gottes offenbar werden – mitten in dieser Welt. Wir sind gerettet, schreibt er, doch zugleich ist dies alles »auf Hoffnung« angelegt. Die schlimmen Ereignisse unserer Zeit zeigen deutlich, dass wir noch nicht am Ziel sind, dass Gottes Reich noch nicht hier ist. Paulus schreibt: »Wir warten darauf in Geduld«.

Wie ist es um unser Warten bestellt?

  • Worauf warte ich eigentlich?
  • Welche Erfahrungen habe ich mit Warten gemacht?
  • Was hilft mir in Situationen, in denen ich warten muss?

Sanduhr

Bild von Rocco Stoppoloni auf Pixabay.

Es ist schwierig, zu warten; oftmals ist es verlorene Zeit. Wenn ich irgendwo warten muss, bin ich froh, dass ich etwas zu lesen dabeihabe oder die nächste Zeit planen und die Aufgaben vorantreiben kann. Mit dem Smartphone hat man dazu ein geniales Hilfsmittel. Doch wenn wirklich nichts geht, man einfach abwarten muss, ist dies meist ziemlich anstrengend.

Wie kann man das vermeiden? Ich denke an die Geschichte aus dem Johannesesvangelium (Kap. 5) vom Kranken am Teich Bethesda. Dieser wartet achtunddreißig Jahre darauf, dass ein Engel das Wasser bewegt, weil es dann Heilkräfte hat. Und er leidet darunter, dass nur die erste Person, die zum Wasser gelangt, geheilt wird.

Nein, sich im Warten einzurichten, ist etwas Schreckliches. Wer wartet, vergeudet im Extremfall vielleicht sogar sein Leben. Manchmal muss man bereit sein, loszulassen, was nicht erreichbar ist und diese Niederlage in einen Sieg verwandeln, indem man etwas anderes beginnt.

  • Wo »reite ich ein totes Pferd«?
  • Wo lasse ich nicht los, was schädlich ist und mein Leben über Gebühr hemmt und hindert?
  • Wo sollte ich den Mut aufbringen, in etwas Neues aufzubrechen?

Ich finde, dass Wartezeit im Idealfall gefüllte Zeit ist. Dann geht es darum, zu gestalten, zu bewegen, voranzubringen. Nur zu warten ist mir zu statisch, drastisch gesagt: Warten ist dann wie ein kleiner Tod.

Paulus schreibt, dass das Warten dazugehört, wenn es um die Erfüllung unserer Hoffnung geht und dass diese am Ende der Zeit bei Gott reichlich erfüllt wird. Darauf will ich nicht wie der Kranke am Teich Bethesda warten. Warten auf Gottes Reich muss mehr als ein bloßes Absitzen oder Jammern sein, wann es denn endlich soweit ist.

Wenn Wartezeit gefüllte Zeit sein soll, gilt dies auch in geistlicher Hinsicht. Dann heißt es, jetzt nach Kräften daran zu arbeiten, dass der Boden für Gottes Reich bereitet ist. Dann bin ich heute bei Themen wie der Gerechtigkeit für alle; beim Umweltschutz, der Selbstschutz ist. Dann bin ich dagegen, für Gruppen Partei zu ergreifen, die Konflikte mit Gewalt lösen wollen, sondern rufe dazu auf, friedliche Mittel zu finden und nachhaltigen Frieden zu machen.

Schluss

Liebe Gemeinde, Paulus schreibt vom geduldigen Warten auf die Verwirklichung unserer Hoffnung: Dass Gott sein Reich aufrichtet, wo es Gerechtigkeit für alle gibt und Leid passé ist, weil Leben vollkommen ist. Paulus erwartete damals, dies noch zu erleben.

Wir erleben heute – erleiden? – dass dies länger dauert. Und die Menschheit spielt aktuell wieder verrückt und schlägt sich mit Wonne die Köpfe ein. Wir sind weit jenseits von Eden.

Paulus erinnert uns an das andere: dass wir das Unterpfand schon erhalten haben, zu Gott zu gehören. Bringen wir ein Stück Himmel in diese Welt, wo uns dies möglich ist. Denn das gilt auch: Beim Warten darf man sich die Zeit vertreiben und sie gut füllen, statt sie zu verlieren.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

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