Um eine Liebeserklärung geht es in dieser Predigt. Das kann nicht ohne Folgen bleiben …

Predigt über 5. Mose/Deuteronomium 7,6–12: Eine Liebeserklärung mit Folgen

Am 6. Sonntag nach Trinitatis, 31. Juli 2011. Veröffentlicht 31.07.2011, Stand 02.08.2023, 1857 Wörter.

Siehe auch die neuere Predigt von 2020: Predigt über Deuteronomium 7,6–9: Aus Liebe zur Freiheit berufen

Das Lied eg 200 Ich bin getauft auf deinen Namen wird bei Taufen im Eingangsteil des Gottesdienstes gesungen – es kann auch folgen.

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit Euch allen!

Hören Sie den Predigttext aus dem fünften Buch Mose, Deuteronomium, Kapitel 7:

5. Mose 7,6–12 Denn du bist ein heiliges Volk dem HERRN, deinem Gott. Dich hat der HERR, dein Gott, erwählt zum Volk des Eigentums aus allen Völkern, die auf Erden sind. Nicht hat euch der HERR angenommen und euch erwählt, weil ihr größer wäret als alle Völker – denn du bist das kleinste unter allen Völkern –, sondern weil er euch geliebt hat und damit er seinen Eid hielte, den er euren Vätern geschworen hat. Darum hat er euch herausgeführt mit mächtiger Hand und hat dich erlöst von der Knechtschaft, aus der Hand des Pharao, des Königs von Ägypten. So sollst du nun wissen, dass der HERR, dein Gott, allein Gott ist, der treue Gott, der den Bund und die Barmherzigkeit bis ins tausendste Glied hält denen, die ihn lieben und seine Gebote halten, und vergilt ins Angesicht denen, die ihn hassen, und bringt sie um und säumt nicht, zu vergelten ins Angesicht denen, die ihn hassen. So halte nun die Gebote und Gesetze und Rechte, die ich dir heute gebiete, dass du danach tust. Und wenn ihr diese Rechte hört und sie haltet und danach tut, so wird der HERR, dein Gott, auch halten den Bund und die Barmherzigkeit, wie er deinen Vätern geschworen hat.

Gott, wir danken Dir für Dein Wort. Sende Deinen Heiligen Geist, dass wir es fassen. Amen.

Eine Liebeserklärung an Israel

Liebe Gemeinde, können Sie mit dem Begriff »Frauenfilm« etwas anfangen? In einem Frauenfilm geht es um Beziehung und Liebe, Irrungen, Wirrungen und Herzensschmerz und am Ende, das muss sein, um ein glückliches Paar, das sich gefunden hat. Wenn man zwischendrin noch ein Tränchen abquetschen kann, dann ist es angeblich genau richtig. Und Männer leiden meist still, wenn sie so eine rosarote Handlung ansehen müssen.

Warum erzähle ich Ihnen das – wir sitzen doch nicht im Kino, sondern im Gottesdienst. Nun, ich denke, der heutige Predigttext hat in gewisser Hinsicht mit dem zu tun, worum es in so manchem »Frauenfilm« geht. Im Text geht es doch um Beziehung, um ein Füreinander-da-sein, um ein auserwählt sein, um ein sich finden oder ein gefunden-worden-sein:

»Denn du bist ein heiliges Volk dem HERRN, deinem Gott. Dich hat der HERR, dein Gott, erwählt zum Volk des Eigentums aus allen Völkern, die auf Erden sind« (Dtn 7,6), so heißt es in Vers sechs – können Sie sich ad hoc eine schönere Liebeserklärung vorstellen?

Es geht um das Volk Israel in diesem Predigttext. Israel ist Gottes auserwähltes Volk. Mit Israel hat Gott seinen Bund geschlossen und genau darauf nimmt der Predigttext Bezug. »Du bist ein heiliges Volk dem HERRn«. Und dann wird begründet, warum das so ist: Israel hat sich diese Liebe Gottes nicht erarbeitet oder erkauft oder aufgrund von Größe und Bedeutung gewonnen:

Israel wurde von Gott aus Liebe auserwählt.

Erinnern Sie sich, wie Sie Ihre Liebe zu einem anderen Menschen erkannt haben? Wie sie alles tun wollten, um bei dem zu sein? Solch eine Liebe wird hier auch beschrieben.

»Er hat euch herausgeführt mit mächtiger Hand« geht es weiter. Hier kommt der Männerfilm-Teil des Predigttextes zum Tragen. Es geht um die Befreiung Israels aus der ägyptischen Knechtschaft. Wie Gott den Mose bevollmächtigt hat, das Volk ins gelobte Land zu führen, darin Milch und Honig fließen (Ex 3,17). Wie Mose mit Gottes Hilfe diesen Plan ausführte und dem Pharao kräftig vors Schienbein trat und seiner Armee ein Schnippchen schlug. Und wir wissen alle, dass Israel schließlich in diesem »gelobten Land« angekommen ist, nach langen Mühen und Entbehrungen.

»So sollst du nun wissen, dass der HERR, dein Gott, allein Gott ist, der treue Gott, der den Bund und die Barmherzigkeit bis ins tausendste Glied hält denen, die ihn lieben und seine Gebote halten, und vergilt ins Angesicht denen, die ihn hassen, und bringt sie um und säumt nicht, zu vergelten ins Angesicht denen, die ihn hassen« (V. 9f), so geht der Predigttext weiter.

Liebe Gemeinde, dass Gott unendlich treu ist, das haben wir gerade gehört. Anders als in unseren Beziehungen gibt es hier keinen Bruch, kein Schlussmachen, kein Ende. Komme was da wolle: Mein Bund gilt, sagt Gott Israel.

Doch Gott, den wir allzu oft zum »lieben Gott« reduzieren, hat auch diese andere Seite, dass er mit denen, die ihn verachten, ins Gericht geht. Und schließlich folgt dann die Aufforderung, sich an Gott zu halten. Israel, der Partner dieses Bundes, wird aufgefordert, den Bund einzuhalten, so wie Gott das unverbrüchlich tun wird.

Eine Liebeserklärung an uns

Liebe Gemeinde, jetzt haben wir den Predigttext, der sicher in der Situation der Babylonischen Gefangenschaft aufgeschrieben wurde, gehört und gedeutet. Doch was hat das mit uns zu tun?

Doch dieses: in Jesus Christus sind wir zu Israel als Gottes auserwähltem Volk hinzugekommen. Wir sind auch Israel und durch Jesus Christus gilt uns dieselbe Verheißung, dieselbe Liebeserklärung Gottes.

Gottes Bund mit Israel gilt weiter fort (cf. Röm 11,29), doch in Christus wurde er erweitert, sodass er sich auch auf uns erstreckt: Es ist der neue Bund Gottes mit uns Menschen, oder latinisiert ausgesprochen: das Neue Testament Gottes.

Im Tauflied »Ich bin getauft auf deinen Namen« (eg 200) haben wir vorhin gesungen:

Ich bin getauft auf deinen Namen,
Gott Vater, Sohn und Heilger Geist;
ich bin gezählt zu deinem Samen,
zum Volk, das dir geheiligt heißt.
Ich bin in Christus eingesenkt,
ich bin mit seinem Geist beschenkt.

Das bringt zum Ausdruck, wie wir zu Gottes Erwählung hinzugekommen sind und was das Verbindende dieses Bundes ist: Jesus Christus.

Die Taufe ist der Moment, in dem diese Verbindung lebenslang hergestellt wird. In der Taufe werden wir Glied der Familie Gottes.

Eine Liebeserklärung mit Folgen

Liebe Gemeinde, das alles ist gut zu wissen. In Jesus Christus gehören wir seit unserer Taufe zu Gottes Volk, gilt uns die Verheißung seiner Liebe und die Glaubensgewissheit, dass er das Ziel für unser Leben kennt und auf dem Weg durch unser Leben treu mit uns geht. Das kann uns in schwierigen Zeiten Kraft geben, nicht zu verzweifeln, sondern weiterzukommen.

Im Predigttext hören wir freilich auch von der Kehrseite. Dass Gott eben nicht nur der gutmütige liebe Gott ist, den man im Übrigen einen guten Mann sein lassen kann.

Wir hören, dass es neben dem Zuspruch unserer unverbrüchlichen Erwählung aus Liebe auch einen Anspruch an unser Leben gibt.

Der Apostel Paulus berichtet in seinem ersten Brief an die Korinther zum Beispiel, dass es damals Menschen gab, die ihr Christsein als Persilschein verstanden – als Erlaubnis, zu tun und zu lassen, was sie wollten. Sie gehörten in Christus zu Gott, da konnte man sich auch wie der größte Lump aufführen, Gottes Vergebung war ja durch die Taufe garantiert.

Auch in unserer Zeit wird die Erwählung Gottes manchmal nicht so ausgelegt und gelebt, wie das nach dem Neuen Testament sein sollte.

Der seit ungefähr einem halben Jahrhundert zunehmende Trend zur Individualisierung gebiert merkwürdige Ideen zum Thema Christentum. »Alles ist möglich, und zwar so, wie es mir gefällt« – so könnte man es beschreiben. »Beten kann ich auch zu Hause, dazu muss ich nicht in die Kirche« ist auch eine beliebte, aber leider – bei absoluter Auslegung – falsche Deutung.

Was bedeutet es für Sie persönlich, wenn Sie die Liebeserklärung Gottes an sein Volk – an uns – hören und zugleich hören: da wird nicht nur gegeben, sondern auch etwas verlangt?

Die Fragen, die der Text damit aufwirft, kann man doch auch so formulieren:

  • Wie stehe ich eigentlich dazu, dass Gott mir eine Beziehung verspricht, die er niemals aufkündigen wird – komme, was da wolle?
  • Lebe ich diese Beziehung aus oder nehme ich das nur zur Kenntnis?
  • Und: wie kann denn mein Handeln in dieser Beziehung aussehen; wie kann ich das denn gestalten?

Liebe Gemeinde, diese Fragen können wir nur für uns selbst beantworten. Der Predigttext fordert seine Hörerinnen und Hörer heraus, sich an Gott zu halten. Vielleicht hat das seinen Grund darin, dass eine Religion, die keine Folgen im Leben hat, letztlich gegenstandslos ist.

Im Text hören wir, dass Gott mehr ist als ein Prinzip oder ein lieber Gott. Wir hören, dass er ist – dass er existiert und in eine lebendige Beziehung mit uns tritt, indem er uns in der Taufe mit sich verbindet. Das stellt unsere Existenz in einen weiteren Kontext als den eines Menschenlebens.

Wir haben eine Heimat, die jenseits dieser sicht- und greifbaren Welt liegt. Unser Leben hat ein Ziel, weil wir durch Christus zu Gott gehören.

Wo wir diesen Glauben leben, ist es nur normal, dass das Auswirkungen hat.

Wenn Gott uns so wie beschrieben liebt, uns ein echtes Gegenüber ist, dann können wir diese Liebe erwidern und sie in unserer Umwelt sichtbar werden lassen.

Wie kann das gehen? Gerade im Alltag sind wir oft absorbiert, treiben uns Sorgen, Aufgaben und Verpflichtungen um. Bei vielen unserer Alten ist es die Gesundheit oder auch Einsamkeit, die eine große Herausforderung darstellt. Wo ist Gott da?

Bei uns. Neben uns. Über uns. Hinter und vor uns – da ist Gott auch in den Zeiten, wo er von unserem Radarschirm verschwunden scheint. Seine Liebe gilt. An ihr können wir uns festhalten und aufrichten, wo unsere Kraft klein ist.

Diese Liebe Gottes können wir im Alltag so weitergeben, dass wir in seinem Geist handeln. Gerecht handeln. Dem anderen das lassen und zugestehen, was wir auch erwarten.

In unseren Beziehungen ist ein Ort, Gottes Liebe weiterzugeben, in Partnerschaft, Familie, im Freundeskreis.

Sie merken: es sind erreichbare Ideen, die ich Ihnen präsentiere. Und doch ist klar, dass wir nicht nur bei unseren Lieben stehen bleiben sollen. »Wenn ihr nur zu euren Brüdern freundlich seid, was tut ihr Besonderes? Tun nicht dasselbe auch die Heiden?« (Mt 5,47) fragt Jesus in der Bergpredigt seine Zuhörer, als es um die Nächstenliebe geht.

Ohne so eine Art »frommen Leistungsdruck« aufzubauen, ist klar: Wenn wir um die Liebe Gottes zu uns wissen, sollen wir sie weitergeben. Das ist der Anspruch, der uns aus der Liebe Gottes erwächst: dass wir sie nicht bei uns behalten oder bei denen, die wir sowieso mögen, sondern dass wir uns bemühen, sie auch dort weiterzugeben, wo das nicht so einfach ist.

Und: welche Nervensäge haben Sie jetzt vor Augen, wo Sie damit anfangen könnten? Nicht wahr, uns fällt allen jemand ein, den man vielleicht ja einmal anders als gewöhnlich behandeln könnte, sagen wir einmal: nett.

Liebe Gemeinde, Gottes Liebe gilt uns unverbrüchlich. In der Taufe sind wir zu Gottes Volk hinzugekommen. Und Gott möchte, dass seine Liebe Zinsen bringt und wächst: dass wir sie nicht für uns behalten, sondern teilen und weitergeben. Das ist manchmal alles andere als einfach: da ist noch Raum, da können wir uns noch ein bisschen strecken, dieses Ziel zu erreichen. Dazu helfe uns Gott.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Lied: eg 664,1–3 Wir strecken uns nach dir

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