Die Welt ist nicht friedlich, doch mit Gottes Hilfe können wir schon jetzt Frieden schaffen.

Predigt über Jesaja 2,1–5: Friede ist möglich

Am 8. Sonntag nach Trinitatis, 25.07.2021, in Wiedenest. Veröffentlicht 25.07.2021, Stand 06.09.2022, 1612 Wörter.

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!

Liebe Gemeinde, der Predigttext steht beim Propheten Jesaja, Kapitel 2, ich lese aus der Lutherbibel:

Jesaja 2,1–5 (Lutherbibel 2017: In Zion finden alle Völker Heil und Frieden) Dies ist das Wort, das Jesaja, der Sohn des Amoz, schaute über Juda und Jerusalem. Es wird zur letzten Zeit der Berg, da des HERRN Haus ist, fest stehen, höher als alle Berge und über alle Hügel erhaben, und alle Heiden werden herzulaufen, und viele Völker werden hingehen und sagen: Kommt, lasst uns hinaufgehen zum Berg des HERRN, zum Hause des Gottes Jakobs, dass er uns lehre seine Wege und wir wandeln auf seinen Steigen! Denn von Zion wird Weisung ausgehen und des HERRN Wort von Jerusalem. Und er wird richten unter den Nationen und zurechtweisen viele Völker. Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen machen und ihre Spieße zu Sicheln. Denn es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen.
Kommt nun, ihr vom Hause Jakob, lasst uns wandeln im Licht des HERRN!

Gott, wir danken Dir für Dein Wort. Hilf uns, dass es zum unsrigen werde. Amen.

Liebe Gemeinde, als ich am Montag den Predigttext anschaute, stieß ich auf eine Geschichte, die mich nachdenklich stimmte. Ich lese sie uns vor, sie ist von Rita Lischewski1:

Ich denke an die jungen Menschen, mit denen ich kürzlich diskutiert habe. Was ist euch eigentlich wichtig im Leben? Welche Werte stehen bei euch ganz vorn? Zwanzig unterschiedliche Werte hatte ich ihnen vorgegeben mit der Bitte, eine Reihenfolge herzustellen. Vom Wichtigsten bis zum Unwichtigsten. In kleinen Gruppen haben sie miteinander gesprochen, gestritten und viel gelacht. Und kamen häufig zu ganz ähnlichen Aussagen: Natürlich ist Familie wichtig, Freunde, die Liebe und die Gesundheit. Besitz und materielle Werte schienen den meisten dagegen eher unwichtig, sie rückten schnell ans Ende der Wertepyramide.
Zu meiner Überraschung entstanden die meisten Gespräche dann aber beim Thema Frieden. Während die einen den Frieden ganz nach oben rückten, setzten die anderen ihn ganz nach unten in ihrer Werteliste. Ich fragte nach, natürlich. Und war erschrocken über die Antwort: »Eigentlich«, erklärte mir ein Mädchen, »eigentlich ist der Frieden natürlich schon wichtig. Aber er ist doch sowieso nicht zu haben. Überall streiten sich Menschen, sind neidisch und eifersüchtig, hauen sich wegen Kleinigkeiten die Schädel ein. Da brauche ich nur an meine Familie zu denken. Frieden ist nicht möglich. Und dann ist es doch besser, wenn man gar nicht erst davon träumt.« Auf diese Erklärung hin wurde es still. Auch ich wusste nichts zu sagen. Denn aus den Worten dieses jungen Mädchens klang so viel Resignation, sie wirkte so hoffnungslos … Ist Frieden unmöglich?

Liebe Gemeinde, das ist eine bedrückende Frage: »Ist Frieden unmöglich?« Was meinen Sie? Stimmt das?

Im Predigttext geht es um den Berg Zion, also die Stadt Jerusalem. So ernüchternd die Aussage ist, so wahr ist sie leider: Ausgerechnet dort ist kein Friede, schon seit gut zweieinhalbtausend Jahren nicht mehr, seit Israel von den Babyloniern besiegt wurde. Wie brüchig der Friede heute ist, zeigen uns alle paar Monate die Nachrichten, wenn hier von Raketen und dort von Anschlägen die Rede ist. Gerade in Jerusalem, wo Heiligtümer der drei größten Weltreligionen sind, ist Friede nur ein »Gast«, aber kein »Einwohner«.

Jesajas Vision ist keine Utopie

Und bei uns? Ist die Abwesenheit von Krieg bereits Friede? Oder ist Friede nicht viel weitergehend und bedeutet eigentlich Konfliktfreiheit? Überprüfen wir dies:

Was wäre eine Welt, in der wahrer Friede Realität wäre? Das wäre nicht nur eine Welt ohne bewaffnete Konflikte, sondern auch eine ohne Verbrechen, ohne Streitigkeiten; eine, in der kein böses Wort laut wird und alle ein Herz und eine Seele sind, denn alles das trägt die Wurzel zu Unfrieden in sich und kann eskalieren.

Unfriede entsteht da, wo Interessen kollidieren. Denken wir einmal absolut: Würde totaler Friede nicht heißen, alle Interessen zurückzustellen, sobald sie denen anderer entgegenlaufen? Doch in einer Welt, in der niemand mehr seine Interessen verfolgen kann, würde alles zum Stillstand kommen.

Nein, ein so weit gehender Friede wäre eine Utopie, nicht zu realisieren. Vielleicht beginnt wahrer Friede vielmehr, wenn alle die Möglichkeit zu einem fairen Interessenausgleich bekommen, wenn es eine nachvollziehbare und möglichst gerechte Rechtssprechung gibt und alle bereit sind, die »Spielregeln« aus Anstand, Sitte und Gesetzen einzuhalten.

Nun … sind wir jetzt vielleicht doch da angekommen, wo das Mädchen in der Geschichte schon ist: dass Friede so unwahrscheinlich ist, dass man davon am besten nicht zu träumen wagt?

Der Prophet Jesaja hat eine andere Vision. Er träumt, dass von der jetzt oft so wenig friedlichen Stadt Jerusalem Friede ausstrahlen wird. Er schreibt: Wenn Gott am Ende der Zeiten wiederkommen wird, wird er Frieden durchsetzen, indem er die Gewalttätigen richtet.

Das wird die Menschen dazu bringen, friedlich miteinander umzugehen: »Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen machen und ihre Spieße zu Sicheln. Denn es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen.«

Jesaja schreibt nicht, dass die Menschen davon überzeugt sein werden oder dass Gott sie so manipuliert, dass sie nicht anders können. Gott setzt Frieden durch, indem er sich die Gewalttätigen vornimmt.

Was wehrt dem Unfrieden?

Das ist ein herausforderndes Bild! Es erinnert an den Frieden, der zu allen Zeiten dadurch entstand, dass ein Stärkerer auftrat und alle anderen sich dem beugen mussten. Die berühmte Pax Romana funktionierte so; Rom hatte, solange es dazu kräftig genug war, überall Armeen, die den Frieden durchsetzten. Was die NATO mit der Idee der Abschreckung macht, ist nichts anderes.

Sollten wir Menschen von uns aus wirklich nur dann zu Frieden fähig sein, wenn ein anderes Verhalten uns handfesten Ärger einbrockt?

Vielleicht ist es so. Vielleicht braucht es einen Stärkeren, damit der Friede gewahrt bleibt. Vielleicht geht es nicht ohne Polizei, Justiz, eine Verteidigungsarmee und Bündnisse bei einer Menschheit, die zu vollkommenem Frieden nicht fähig ist.

Jesaja verheißt Frieden in einer friedlosen Welt

Jesaja stellt unserer oft unfriedlichen Welt ein Hoffnungsbild entgegen. Wenn Gott kommt, Frieden durchzusetzen, wird es anders werden.

»Schwerter zu Pflugscharen« – was für ein schönes Bild! In einer Welt, in der das, was Konflikte besser eskalieren lässt, in etwas Nutzbringendes verwandelt wird, werden die Streitigkeiten nicht mehr so leicht bis zum Äußersten gehen.

An der Tür haben Sie das Bild2 der Plastik gesehen, die die Sowjetunion im Kalten Krieg den Vereinten Nationen geschenkt hat. Sie steht in New York vor der UNO und so brutal sie auch aussieht, stellt sie doch die Vision des Jesaja dar: dass das Unfriedliche in Friedliches verwandelt wird, das Todbringende in Lebensermöglichendes. Und vielleicht braucht es dazu einen Gewaltigen, der solche Pläne schmiedet.

Jewgeni Wutschetitsch: »Schwerter zu Pflugscharen«, 1959.

Jewgeni Wutschetitsch: »Schwerter zu Pflugscharen«, Geschenk der Sowjetunion an die UNO, 1959. Foto: Neptuul, CC BY-SA 3.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0>, via Wikimedia Commons.

Mit Christus ist Friede möglich, schon jetzt

Liebe Gemeinde, wie schön wäre es, wenn in unserer Welt wahrer Friede herrschte! Doch da sind wir noch nicht. Friede ist immer nur in bestimmten Bereichen auf Zeit verwirklicht – und es ist Arbeit, dies zu erhalten: Friede muss aktiv bewahrt werden.

So pessimistisch wie das Mädchen in der Geschichte die Welt sieht, brauchen wir sie nicht zu sehen: Als Menschen, die zu Christus gehören, können wir schon jetzt Frieden in unserem persönlichen Einflussbereich säen. Das heißt nicht, Konflikten aus dem Weg zu gehen oder sie nicht auszutragen; das wäre ein »fauler Friede«. Friede beginnt, wo wir fairen Ausgleich suchen und nicht in erster Linie unsere Interessen durchboxen.

Das erinnert mich an den Wochenspruch: Lebt als Kinder des Lichts; die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit.3 Das gefällt mir: »Kind des Lichts« möchte ich gerne sein, es ist eine schöne Vorstellung. Wo mir das gelingt, kann ich dafür sorgen, dass Friede wächst. Sicher, es ist eine kleine Saat und es gibt vieles, was sie wieder wie Unkraut erstickt. Aber ich kann den Anfang machen und es mit Gottes Hilfe immer wieder erneut versuchen, wenn ich scheitere, weil mir meine eigene Nase näher ist als meine Mitmenschen.

Als Christ brauche ich mich auf dem Weg zu Frieden nicht allein zu wissen. Gott setzt am Ende der Zeiten wahren Frieden durch, doch in seinem Geist hilft er uns schon heute, damit anzufangen. Wir sind viele, die aus demselben Glauben leben. Miteinander können wir Frieden greifbar machen, immer mehr.

Gott schenke uns, dass wir alle schnell zum Hören, langsam zum Reden und langsam zum Zorn4 sind. Das kann der erste Schritt zu mehr Frieden sein. Wo das gelingt, werden wir erleben: Friede ist möglich, immer mehr, Stück für Stück.

Wie fangen wir an; wie können wir Schritte zum Frieden gehen? Indem wir für die beten, denen wir nicht wohlgesinnt sind. Indem wir für das beten, was sonst Streit schürt, dass es friedlich gehandhabt wird. Indem wir für uns beten, Vergebung zu lernen.

Wenn wir so beten, verändern wir zuerst uns, unsere Wahrnehmung und Haltung. Manchmal braucht es gar nicht viel, um eine Sache zu verbessern: Ein neuer Zugang kann helfen.

Indem wir so beten, beten wir letztlich dafür, dass wir zu Friedensstiftern werden – vielleicht unscheinbar, aber doch wirksam.

Wie passend ist es, dass traditionell dieses Wort von Paulus am Ende einer Predigt steht: Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, wird eure Herzen und Sinne in Christus Jesus bewahren. Amen.


  1. 8. Sonntag nach Trinitatis, erarbeitet von Rita Lischewski, in: Werkstatt für Liturgie und Predigt, Ausgabe 5+6, 2017, hg. v. Michael Becker, Aachen: Bergmoser und Höller Verlag AG, 225. ↩︎

  2. Jewgeni Wutschetitsch: »Schwerter zu Pflugscharen«, Geschenk der Sowjetunion an die UNO, 1959. Foto: Neptuul, CC BY-SA 3.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0, via Wikimedia Commons. ↩︎

  3. Eph 5,8b–9. ↩︎

  4. Jak 1,19. ↩︎

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