Advent ist eine Zeit der Vorfreude – eigentlich, denn mit den Jahren nutzt sich das Vorfreuen ab, dominieren Alltag, Arbeit und Routine. In dieser Predigt geht es um zurückgeschraubte Erwartungen, die doch noch zur Erfüllung kommen und eine Freude, die ein Lachen in die Welt bringt.

Predigt über 1. Mose/Genesis 18,1–2.9–14: Gott bringt neues Leben und Gemeinschaft

Am 4. Advent, 20. Dezember 2020, in Wiedenest. Veröffentlicht 20.12.2020, Stand 13.02.2024, 1563 Wörter.

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit Euch allen!

Liebe Gemeinde, es sind nur noch vier Türchen, die wir am Adventskalender öffnen können. Weihnachten kommt und sicher wissen wir mittlerweile, wie dieses Weihnachten mit Corona-Abstandsregelungen werden wird. Diese notwendigen Beschränkungen sind eine große Herausforderung.

Vielleicht bringt uns das – ich wende es ins Positive – dem Verständnis von Weihnachten näher, denn das war kein Fest, sondern fand in einem Stall unter widrigsten Bedingungen statt. Davon sind wir, selbst im Pandemiejahr 2020, noch meilenweit entfernt. Es ist doch vielmehr so, dass alles, was wir aus unserer Erziehung und Erfahrung mit Weihnachten verbinden, dieses Jahr anders sein wird. Das ist die Herausforderung, mit dem »anders als alle Jahre wieder« klarzukommen.

Der Predigttext passt dazu. Als ich ihn das erste Mal las, brauchte ich einen Moment, den Advent darin zu entdecken. Ich lese aus Kapitel 18 im Ersten Mosebuch, Genesis:

1. Mose/Genesis 18,1–2a.9–14 (Lutherbibel 2017) Und der HERR erschien (Abraham) im Hain Mamre, während er an der Tür seines Zeltes saß, als der Tag am heißesten war. Und als er seine Augen aufhob und sah, siehe, da standen drei Männer vor ihm. […]
Da sprachen sie zu ihm: Wo ist Sara, deine Frau? Er antwortete: Drinnen im Zelt. Da sprach er: Ich will wieder zu dir kommen übers Jahr; siehe, dann soll Sara, deine Frau, einen Sohn haben. Das hörte Sara hinter ihm, hinter der Tür des Zeltes. Und sie waren beide, Abraham und Sara, alt und hochbetagt, sodass es Sara nicht mehr ging nach der Frauen Weise. Darum lachte sie bei sich selbst und sprach: Nun, da ich alt bin, soll ich noch Liebeslust erfahren, und auch mein Herr ist alt!
Da sprach der HERR zu Abraham: Warum lacht Sara und spricht: Sollte ich wirklich noch gebären, nun, da ich alt bin? Sollte dem HERRN etwas unmöglich sein? Um diese Zeit will ich wieder zu dir kommen übers Jahr; dann soll Sara einen Sohn haben.

Gott, wir danken Dir für Dein Wort. Sende Deinen Heiligen Geist, dass wir es fassen und zum unsrigen machen. Amen.

Abraham

Liebe Gemeinde, ein Text ganz vorn aus dem Alten Testament ist im Advent erstaunlich. Wäre er aus einem der späteren Prophetenbücher gewesen, wo der Messias angekündigt wird, wäre das weniger überraschend gewesen.

Nach der Urgeschichte erzählt die Bibel die Vätergeschichten über Abraham, Isaak und Jakob. Über den Erzvater Abraham steht da, dass er auf einen Ruf Gottes hin sein altes Leben hinter sich ließ und in fortgeschrittenem Alter in ein neues Land zog. Seine Frau, Gesinde und Tiere hatte er mitgenommen.

Damals hatte ihm Gott verheißen, dass er Kinder haben werde: so viele Nachfahren, wie es Sterne am Himmel gibt.

Im Predigttext kommt die zweite Verheißung: nächstes Jahr werdet ihr Eltern werden.

Dieser Fremde, der es Abraham sagte, war nicht irgendjemand. Die traditionelle Deutung ist, dass es Gott selbst war, der Abraham hier besuchte, mit zweien seiner Engel.

Himmlische Begegnungen

Was für eine Vorstellung, Gott so zu begegnen. Der Allmächtige kam wie ein Mensch zu Abraham, aß und trank mit ihm, genoss seine Gastfreundschaft. Abraham hat erlebt, was seit dem Paradies nicht mehr war: Gemeinschaft mit Gott wie mit einem Freund.

Als Mose später Gott sehen wollte, sagte der ihm:

Mein Angesicht kannst du nicht sehen; denn kein Mensch wird leben, der mich sieht. (2. Mo/Ex 33,20b)

Abraham sah ihn, doch ob er verstand, wer da das Brot mit ihm brach?

Das erinnert mich an die Erzählung der Emmausjünger, die wir an Ostermontag hören. Sie erkannten Jesus am Brotbrechen:

Und es geschah, als er mit ihnen zu Tisch saß, nahm er das Brot, dankte, brach’s und gab’s ihnen. Da wurden ihre Augen geöffnet, und sie erkannten ihn. Und er verschwand vor ihnen. (Lk 24,30f)

Der Evangelist Johannes beschreibt, wie die Jünger den auferstandenen Jesus erkennen, als er ihnen am See Genezareth begegnet:

Spricht Jesus zu ihnen: Kommt und haltet das Mahl! Niemand aber unter den Jüngern wagte, ihn zu fragen: Wer bist du? Denn sie wussten: Es ist der Herr. Da kommt Jesus und nimmt das Brot und gibt’s ihnen, desgleichen auch den Fisch. (Joh 21,12f)

In der Apostelgeschichte wird das Kennzeichen der ersten christlichen Gemeinde genannt:

Sie blieben aber beständig in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet. (Apg 2,42)

Das gemeinsame Essen ist das Sinnbild für Gemeinschaft untereinander und mit Gott schlechthin: »Unser tägliches Brot gib uns heute« (Mt 6,11) beten wir im Vaterunser.

Brot

Eine gemeinsame Mahlzeit ist ein zutiefst menschliches Bild für Gemeinschaft. Familien und Freunde versammeln sich zum gemeinsamen Essen und Feiern. Für junge Paare ist es ein Meilenstein, miteinander Essen zu gehen. Wenn wir mit jemand anderes gemeinsam essen, ist das ein Ausdruck von Nähe.

Das gilt auch für das Heilige Abendmahl, das für unsere Gemeinschaft mit Gott ebenso steht wie dafür, dass alle Menschen, die zu Christus gehören, untereinander verbunden sind. Bald werden wir es wieder miteinander feiern können.

Näher als du denkst

Abraham hatte diese Gemeinschaft, hat die Besucher herzlich an seinen Tisch eingeladen. Wie es im Orient noch heute üblich ist, war seine Frau Sara im Hintergrund. Sie folgte durch die Zeltwand dem Gespräch der Männer und als sie hörte, nächstes Jahr Mutter zu werden, konnte sie dies nicht fassen. Sie wusste um ihr Alter ebenso wie um die Sehnsucht, mit Abraham Eltern zu werden. Über die Jahre hatte sich dieser Wunsch nicht erfüllt und Elieser, der Knecht, würde ihr Erbe werden.

Kann man ihr verdenken, dass sie lachen musste?

Die Männer hatten sie gehört. Und das ist das Problem: dass die Männer sie gehört hatten. Dass Gott hier als Mensch erschien, verstellte Abraham und Sara die Erkenntnis, wer er war. Für sie war er nur ein Fremder, der den Mund zu voll nahm und folglich musste Sara lachen.

»Sollte dem HERRN etwas unmöglich sein?«, fragt sie der Besucher und signalisiert ihr: Es ist mehr an dem, was ich sage, als Du jetzt erkennen kannst.

Sara hat »den Wald vor Bäumen nicht gesehen«. Gott war ihr zu nahe gekommen, als dass sie ihn hätte fassen können.

Und wir: Finden wir Gottes Geist in unserem Leben?

Zu Gott finden

Mit dieser Frage sind wir im Advent: Wie kommt Gott in unserem Leben vor? Und wie kann er, immer wieder neu, bei uns ankommen und etwas bewirken?

Für Sara war das damals unfassbar. Auch uns fällt zu glauben nicht leicht. »Ich glaube; hilf meinem Unglauben« (Mk 9,24) heißt die Jahreslosung 2020. Zum Glauben gehört der Zweifel, beide sind die Auseinandersetzung mit der Frage, wer Gott für uns ist.

Der Advent geht zu Ende, Weihnachten liegt vor uns. Viele fürchten, dass es aufgrund der Schutzmaßnahmen ein tristes Fest sein wird. Vielleicht wird es das. Mit Sicherheit wird es dieses Jahr ruhiger werden als in den vorigen Jahren.

Lassen Sie uns das als Chance begreifen! Gottes Kommen in die Welt geschah leise und im kleinen Kreise. Was wäre, wenn wir es dieses Jahr ganz bewusst so feiern, dass wir Gottes Ankunft in unserem Leben damit verbinden?

Das »Brot des Lebens« kommt in die Welt, geistige Nahrung, die uns trägt, kräftigt und unseren Hunger stillen kann. In Jesus Christus ist Gott fassbar geworden. Sara konnte ihn nicht erkennen, doch uns hat er sich gezeigt und berührt uns mit seinem Heiligen Geist.

Alltag und Hektik verstellen den Blick dafür und die Sorgen überwuchern unseren Glauben wie Unkraut. Ein Weihnachten im »Lockdown« kann sogar etwas Gutes sein: Eine Zeit, einander intensiver zu begegnen und die notwendige Ruhe zu finden, in der wir Gottes Wirken an uns neu entdecken können.

Zum Blühen kommen

Abraham und Sara haben Gottes Wirken dann doch noch erfahren. Was sie nicht geglaubt hatten, kam zur Erfüllung. Bald merkten sie, dass Sara ein Kind erwartete: Gottes Verheißung erfüllte sich und aus ihrer Liebe wuchs Neues.

Heutzutage bekommen Kinder ja teilweise recht exotische Namen, aber das ist nichts im Vergleich zu dem Namen, den Abraham und Sara ihrem Sohn gaben. Isaak nannten sie ihn. Das klingt erst mal nicht besonders, doch auf Hebräisch heißt Isaak »Lacher«.

Kurz einmal »Kopfkino«: Was würden Sie denken, wenn sie draußen eine Mutter rufen hören: »Lacher, hör mit dem Blödsinn auf und komm rein zum Mittagessen!« Oder stellen Sie sich vor, sie leiten die Personalabteilung und Lacher Mustermann bewirbt sich auf eine Führungsposition …

Weil Sara gelacht hatte, als der Mann ihr die Mutterschaft verhieß, hatte sie ihren Sohn so genannt. Das, was aufgrund ihres Alters unmöglich schien, trat ein: Gott steht zu seinen Verheißungen, nimmt sein Wort nicht zurück und bricht seine Versprechen nicht. An Isaak konnte sie sehen, wie Gott in ihrem Leben gewirkt hat.

Liebe Gemeinde, auch wir haben in unserer Lebensgeschichte Ereignisse, die uns ein Fingerzeig sein können, dass Gott bei uns ist. Ich wünsche Ihnen, dass Sie im ausgehenden Advent diese Situationen wiederfinden, in denen Gott Sie berührt hat. Das »jätet das Unkraut des Zweifelns« und lässt Glauben kräftig und lebendig werden. Und wer weiß: Vielleicht bringt uns die ein oder andere Erinnerung wie Sara zum Lachen. Hauptsache, wir finden Gott immer wieder, damit sein Licht die Schatten von unseren Seelen vertreibt und wir neu aufleben.

Weihnachten 2020, in diesem so speziellen Jahr, kann uns so zu einer Chance werden, unseren Glauben neu zu verstehen und Gott neu zu fassen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus, Amen.

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