Wie wir Krisen wie die durch Corona durchstehen können. (Entfallen wegen der zeitweisen Einstellung der Gottesdienste.)

Predigt zum Thema Gott ist nahe, auch in beunruhigenden Zeiten

An Oculi, 15.03.2020, in Morsbach und Holpe. Veröffentlicht 14.03.2020, Stand 13.02.2024, 1894 Wörter.

(14.03.2020) Aufgrund der zeitweiligen Einstellung von Gottesdiensten zum Schutz vor dem Coronavirus wird diese Predigt nicht mehr gehalten werden. Die Entwicklung in den letzten Tagen ist so rasant, dass sich dies erst kurzfristig ergeben hat.
Bleiben Sie gesund und behütet!

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit Euch allen!

Beten wir mit Worten des Kirchenvaters Augustinus aus dem frühen 5. Jahrhundert:

Groß bist du, o Herr, und deines Lobes ist kein Ende;
groß ist die Fülle deiner Kraft, und deine Weisheit ist unermesslich. / Und loben will dich der Mensch, ein so geringer Teil deiner Schöpfung; der Mensch, der sich unter der Last der Sterblichkeit beugt, dem Zeugnis seiner Sünde, einem Zeugnis, dass du den Hoffärtigen widerstehest; / und doch will dich loben der Mensch, ein so geringer Teil deiner Schöpfung. Du schaffest, dass er mit Freuden dich preise, denn zu deinem Eigentum erschufst du uns und ruhelos ist unser Herz, bis es ruhet in dir.1 Amen.

Falsche Perspektiven und ihre Folgen

Liebe Gemeinde,
es sind so aufregende Zeiten wie seit Langem nicht mehr. Nein, unsere Welt geht gerade nicht unter, aber sie ist ein ganzes Stück wie aus den Angeln gehoben. Das neue Corona-Virus ist mit diesem Jahr in unser Leben gekommen und verändert es gerade, nachhaltig.

Zuerst waren es die Nachrichten, wie immer. Wir sind es gewohnt, durch die Presse in Text, Bild und Ton zu erfahren, was in der Welt gerade vor sich geht. Wir alle wissen, dass die Presse die Gier nach kurzfristigem Neuen bedient, die langfristige Perspektive aber gewöhnlich viel zu kurz betrachtet. Australiens Buschbrände? Nach dem Medienhype über einen brennenden Kontinent und fliehende Menschen war bald ein nächstes Thema dran. Wie lange es noch gedauert hat, bis die Brände gelöscht waren und wie es jetzt weitergeht, war bestenfalls eine Randnotiz wert. Ähnlich war es mit dem Erdbeben auf Haiti vor zehn Jahren. Wie viel dort immer noch im Argen liegt, ist uns vielfach unbekannt. Die nächste Katastrophe wurde wie mit Suchscheinwerfern beleuchtet, seziert, um dann dem Vergessen und einer neuen preisgegeben zu werden.

Durch die Art und Weise, wie in unserem Kulturkreis Katastrophen medial vermittelt werden, sind sie auch abstrakt geworden. Erdbeben in Haiti? Wie schrecklich, aber mein Nachbar hatte letzte Woche einen Herzinfarkt und mein Auto muss in die Werkstatt. Und schon liegt der Fokus unserer Aufmerksamkeit im Rahmen unseres Horizonts.

Erde mit Atemmaske

Mit dem neuen Corona-Virus (SARS-CoV-2/COVID-19) ist das anders. Was als abstrakte Nachricht begann, rückte näher und näher. Und heute? Italien ist, unglaublich, eine einzige Sperrzone, internationale Grenzen sind geschlossen, Atemmasken und Desinfektionsmittel völlig überteuert und vermutlich werden einige unserer Mitmenschen sich in den nächsten fünf Jahren von Mehl und Nudeln ernähren und bei der nächsten Renovierung Toilettenpapier tapezieren.

Corona ist keine abstrakte Nachricht mehr, sondern eine konkrete Pandemie2, die in unserer Nachbarschaft angekommen ist und seit Freitag ist klar: auch bei uns werden Schulen und Kindergärten morgen nicht öffnen, sie werden frühestens in fünf Wochen nach den Osterferien wieder in Betrieb gehen.

Die Angst geht um. Wir hören recht wenig von den Tausenden, die nach teils nur leichten Erkältungssymptomen genesen sind – aktuell sind es über 93 % der Erkrankten, die definitiv wieder gesund geworden sind. Der Fokus unserer Nachrichten liegt auf der sehr deutlich geringsten Gruppe, den daran Verstorbenen.3 Das sind aber sehr deutlich nur Alte oder Menschen mit einer Vorerkrankung.

Nachrichten müssen eben, wie gesagt, dramatisch sein. Wie sehr dies die Wirklichkeit verzerrt und Ängste schürt, liegt auf der Hand. Und was macht man dann? Toilettenpapier und Nudeln kaufen, als ob es kein Morgen gäbe. Denn das kann man tun und das fühlt sich auch gut an: endlich kann man etwas Kontrolle zurückerlangen in dieser so ungewissen Zeit, etwas für die eigene Sicherheit tun. Dumm nur, dass es auch in Zukunft Nudeln und Toilettenpapier geben wird und sogar die Tomatensauce und den Parmigiano, der dazugehört. Das wird eine harte Zeit werden, bis wir das alles wieder aufgegessen haben.

Und Gott?

Jetzt habe ich viel zu dem gesagt, was wir dieser Tage erleben, was uns umtreibt. Es sind Erfahrungen, die Menschen zu allen Zeiten gemacht haben. In unserem Land haben wir eine lange Friedenszeit mit stabiler Versorgung und guter allgemeiner Gesundheitsversorgung erlebt – jetzt erleben wir, wie diese Sicherheit erschüttert wird: Das Corona-Virus ist eine neue Größe, unser Immunsystem kennt es nicht und es gibt weder Impfung noch Medikamente dagegen.

Wir müssen damit auf eine soziale, besonnene und mutige Weise umgehen. Unser Glaube an Jesus Christus kann uns in dieser Zeit eine Stütze sein. Wo alles ins Schwanken gerät, können wir in Gott einen Felsen erfahren, der fest steht. Und das kann uns wiederum geben, was wir brauchen, um dieser Tage nicht in die kopflose Panik einzustimmen, sondern einen klaren Kopf zu behalten. Von früheren Christengenerationen können wir dabei lernen:

Augustinus – Halt im Gebet

Erinnern Sie sich an das Gebet vom Predigtanfang? »Zu deinem Eigentum erschufst du uns und ruhelos ist unser Herz, bis es ruhet in dir« betete Augustinus vor über eineinhalb Jahrtausenden. Er lebte im römischen Reich, in Nordafrika, und musste erleben, wie die Vandalen die Welt, die er kannte, zum Ende brachten. Er hatte zahlreiche Schutzsuchende bei sich aufgenommen und als die Vandalen seine Stadt zu belagern begannen, erkrankte er nach drei Monaten an einem Fieber, von dem er nicht mehr genas. Augustinus fand Trost in den Psalmen, die er in seinem Zimmer an der Wand hängen hatte.4

Augustinus hat sich an seinem Glauben festgehalten, als die Welt, so wie er sie kannte, unterging. So hat er seine Sicherheit behalten, konnte standfest bleiben und ist nicht in kopflose Panik verfallen.

Das wünsche ich mir für die vor uns liegende Zeit: dass wir unser Vertrauen auf Gott setzen und von ihm Kraft empfangen.

Es erinnert mich an einen Text, den der Apostel Paulus an die Römer geschrieben hat:

Wer will uns scheiden von der Liebe Christi? Trübsal oder Angst oder Verfolgung oder Hunger oder Blöße oder Gefahr oder Schwert? wie geschrieben steht (Psalm 44,23): »Um deinetwillen werden wir getötet den ganzen Tag; wir sind geachtet wie Schlachtschafe.« Aber in dem allen überwinden wir weit durch den, der uns geliebt hat. Denn ich bin gewiß, daß weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn.
— Römer 8,35–39 (Lutherbibel 1984)

Wir sind mit Jesus Christus verbunden. In der Taufe hat man uns auf den Kopf zugesagt, dass wir zu ihm gehören – komme, was da wolle. Das ist ein großer Schatz, zu wissen: Gott lässt mich nicht, auch in schwierigen Zeiten und Lebensumständen nicht.

Mit solchem Halt kann man Krisen durchstehen. In solchen Glauben kann man aushalten, wenn Leben schwierig wird, bedroht ist, gar endet: Gott ist da.

Ausblick

Augustinus hat seinen Glauben ganz praktisch verstanden. Gerade er, der Theoretiker – der Mann hat über 270 Werke geschrieben und gilt als größter christlicher Schriftsteller überhaupt – hat es bei der Theorie nicht belassen. Das Nötige zu tun, war ihm selbstverständlich.

So doch auch wir: In Krisenzeiten geht es doch eben nicht darum, nur an sich selbst zu denken, sondern auch an die anderen. Wir sind nicht allein – das gilt nicht nur in geistlicher Hinsicht – sondern gegen das Credo unserer Zeit auch ganz praktisch. Angeblich wird – wenn das denn stimmt – die Zahl der am Corona-Virus Erkrankten noch bis in den Sommer zunehmen. Sollen wir uns jetzt alle isolieren und von den gehamsterten Nudeln leben?

Als Menschen, die zum ewigen Gott gehören, können wir mit diesem Pfund, dieser Kraftquelle, wuchern. Nutzen wir diese so verunsichernde Zeit, mit anderen in Kontakt zu treten und gegen die Angst ein Bollwerk aufzurichten. Telefon, E-Mail und – warum eigentlich nicht? – Postkarten und Briefe sind schöne Möglichkeiten, Kontakt zu halten oder aufzunehmen. Wer ein Smartphone hat, kann Freunden und Bekannten im Videochat oder in Onlinekonferenzen begegnen, ganz ohne Ansteckungsgefahr.

Liebe Gemeinde, »ruhelos ist unser Herz, bis es Frieden findet in Dir« schreibt Augustinus. Lassen wir unser Herz bei Gott Ruhe finden. Ja, unsere gewohnte Sicherheit ist dahin – vielleicht lernen wir ja mehr zu schätzen, wie gut wir es haben, wenn sich die Situation stabilisiert hat. Vielleicht lassen wir auch, wenn in den Medien Berichte über neue, andere Katastrophen bekannt werden, die Lehren dieser Zeit fahren und fallen in den alten Trott zurück – ich befürchte es fast.

Aber auch in dieser Zeit jetzt können wir Gott an unserer Seite wissen und im Gebet erfahren, wie er uns Kraft gibt:

Gott spricht: »Fürchte dich nicht, ich bin mit dir; weiche nicht, denn ich bin dein Gott. Ich stärke dich, ich helfe dir auch, ich halte dich durch die rechte Hand meiner Gerechtigkeit.«
– Jes 41,10 (Lutherbibel 1984)

Dieses Wort beim Propheten Jesaja passt auch zum Thema des heutigen Sonntags Oculi, einem Wort aus Psalm 25. Im Ganzen heißt der Vers: »Meine Augen sehen stets auf den Herrn, denn der Herr wird meine Füße aus dem Netz ziehen.« (Ps 25,15)

Heute geht es darum, Gott nachzufolgen. Gott nachzufolgen heißt, mit ihm zu leben. Dieser Vers bei Jesaja und das Wort aus dem Römerbrief erinnern uns daran, dass es vielleicht auch andersherum ist: dass Gott mit uns unterwegs ist, wo wir meinen, wie durch Dickicht zu gehen. Dass er uns da Kraft gibt, weiterzukommen und uns befreit, wo wir im Dornengerank hängen bleiben. Dass er ein Ziel für uns bereithält, wo unsere Wege an ein Ende kommen.

Nachfolge heißt auch, anderen vorzuleben, was uns Kraft gibt und mit Gott nicht hinter dem Berg zu halten.

Bewahren wir jetzt einen kühlen Kopf. Unser Leben steht nicht in unserer Hand, weil wir in Gottes bergenden Händen sind. Was soll also passieren, außer einer Aversion gegen Nudelgerichte?

Scherz beiseite. In den kommenden Wochen wird die Corona-Krise unser Leben bestimmen. Unser gewohnter Bewegungsfreiraum wird für einige Zeit eingeschränkt sein, weil Veranstaltungen ausfallen und Begegnungsstätten geschlossen werden. Es wird eine anstrengende und einsame Zeit werden, in der wir unsere Mitmenschen meiden werden, aus Furcht vor Ansteckung. Das wird vorübergehen und vielleicht wird es schon nächstes Jahr einen Impfstoff geben. Dieses Jahr wird jedenfalls ein denkwürdiges in der Geschichte werden.

Liebe Gemeinde, Gott ist uns nicht fern. Wir können mit anderen in der bevorstehenden Einsamkeit durch Telefon und Neue Medien Kontakt halten und wieder aufleben lassen. Nutzen wir die Zeit dazu! Und halten wir uns im Gebet an Gott fest, dass er uns Halt und Kraft in dieser Zeit schenke. Mit ihm an unserer Seite, mit unseren Nächsten im Blick und einem kühlen Kopf, der sich von Panikmache nicht anstecken lässt, werden wir die Corona-Krise bestehen. Und wenn die Natur bald aufzubrechen beginnt und der Frühling kommt, wird die Welt schon etwas fröhlicher aussehen – Gott sei Dank.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus, Amen.

Lied: eg 346 Such, wer da will, ein ander Ziel


  1. Beginn der Confessiones des Augustinus, zitiert nach http://www.augustiner.de/de/geschichte/leben-des-hl-augustinus/index.html (abgerufen am 12.03.2020). ↩︎

  2. Am 11.03.2020 hat die Weltgesundheitsorganisation WHO die durch die Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus hervorgerufene Krise zu einer Pandemie erklärt, vgl. https://www.tagesschau.de/inland/coronavirus-317.html (abgerufen am 12.03.2020). ↩︎

  3. Ein aktuelles Bild und eine Übersicht zur Entwicklung der globalen Lage kann man sich bei den täglich aktualisierten Zahlen der amerikanischen Johns Hopkins Universität verschaffen, siehe https://github.com/CSSEGISandData/COVID-19 (abgerufen am 12.03.2020). ↩︎

  4. Vgl. https://www.augustinus.de/home/nachrichten/711-der-kampf-um-hippo (abgerufen am 12.03.2020). ↩︎

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