Christus kommt, das ist das Thema an Weihnachten. In dieser Predigt geht es um ein ganz anderes Kommen Jesu, um einen Perspektivwechsel.

Predigt über Johannes 1,29–34: Christus kommt – Ein Perspektivwechsel

Am Ersten Sonntag nach Epiphanias, 13.01.2013. Veröffentlicht 12.01.2013, Stand 15.01.2023, 1806 Wörter.

Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt!

In 2013 sind wir schon so weit im Jahr, dass die Weihnachtsbäume allmählich das Rieseln anfangen oder rausfliegen aus unseren Wohnungen. Jetzt erinnern wir uns noch ein wenig an das Fest, an die Freude, die wir mit Geschenken gemacht haben und ans Umtauschen, das allzu oft aufs Weihnachtsfest folgt, und natürlich an die Geschenke, die wir selbst bekommen haben … aber es ist gar nicht nötig, nostalgisch zu werden.

Was wir an Weihnachten schon gefeiert haben – dass Gott in Christus Mensch geworden ist, das ist auch am heutigen Ersten Sonntag nach Epiphanias Thema. Doch der heutige Predigttext mutet beim ersten Hören so gar nicht wie ein Text des Weihnachstfestkreises an. Was in ihm steckt, muss erst herausgearbeitet werden. Hören wir den Predigttext aus dem ersten Kapitel des Johannesevangeliums:

MP: Joh 1,29 Am nächsten Tag sah Johannes der Täufer [w.: er] Jesus, wie er zu ihm kam, und sagte: »Sieh das Lamm Gottes, das die Schuld der Welt trägt! Der ist’s, von dem ich gesagt habe: ›Nach mir kommt ein Mann, der vor mir geworden ist, der vor mir war.‹ Und ich kannte ihn nicht, aber damit er für Israel sichtbar gemacht werde – (dazu) bin ich gekommen und taufe mit Wasser.«
Und Johannes bezeugte: »Ich sah den Geist wie eine Taube aus dem Himmel kommen und bei ihm bleiben. Und ich kannte ihn nicht, sondern der, der mich gesandt hatte mit Wasser zu taufen, sagte mir: ›Auf den du den Geist kommen und bleiben siehst, der ist’s, der mit heiligem Geist tauft.‹ Und das habe ich gesehen und bezeugt, der ist Gottes Sohn!«

Gott, wir danken Dir für Dein Wort. Sende Deinen Heiligen Geist, dass wir es fassen. Amen.

Tja. Kein Augustus, keine Volkszählung, kein Stall und kein neugeborenes Jesuskind kommen vor, sondern wir hören von einem erwachsenen Jesus, der am Jordan auf Johannes den Täufer trifft. Und das Erstaunliche: der Evangelist Johannes, der mit dem Täufer Johannes rein gar nichts gemein hat, überliefert uns hier kein einziges Wort Jesu. Dessen Handeln beschränkt sich darauf, auf den Täufer zuzugehen.

Und dann ändert sich der Blick und wir hören Johannes den Täufer, wie er seinen Jüngern etwas über den auf ihn zukommenden Jesus erzählt.

Ist Gott nah oder fern? Von Distanz …

Im Advent haben wir gefeiert, dass Jesus Christus auf uns zukommt, dass Weihnachten immer näher rückt; haben Sonntag für Sonntag eine weitere Kerze entzündet und das Licht immer heller scheinen lassen als einen Hinweis auf das Licht, das mit Christus in die Welt gekommen ist.

Das ist das Thema an Epiphanias, was man als Fest des Erscheinens Jesu Christi ins Deutsche übersetzt. Dem Evangelisten ist es ganz wichtig, diese Epiphanie, dieses Erscheinen richtig (als Theophanie,) als Erscheinen Gottes in der Welt zu verstehen. Mit dem »Wort, das Fleisch wurde« beschreibt Johannes das. Aus dem Gott Israels, der in der Urzeit seiner Menschheit noch ganz nahe, greifbar war und mit Jakob am Fluss rang (1. Mo/Gen 32), war nach und nach ein ferner, kaum greifbarer Gott geworden, der durch seine Gebote zu den Menschen sprach.

Und je ferner Gott geworden war, umso mehr hatten wir Menschen uns von ihm entfernt. Durch die Propheten hat Gott versucht, die Distanz zu verringern, indem er sein Wort durch Menschen zu den Menschen kommen lässt in einer verständlichen Form. Doch wirklich viel gebracht hat es nicht.

Eines Tages fasste Gott den Plan, ein für alle Mal den Graben, der sich zwischen ihm und den Menschen aufgetan hatte, zu überbrücken. Johannes der Täufer war einer der Propheten, die diesen Plan angekündigt hatten. Er war »die Stimme eines Rufers in der Wüste« (Jes 40). Genau das erklärt der Täufer seinen Jüngern, während Jesus auf ihn zukam:

»Sieh das Lamm Gottes, das die Schuld der Welt trägt! Der ist’s, von dem ich gesagt habe: ›Nach mir kommt ein Mann, der vor mir geworden ist, der vor mir war.‹ Und ich kannte ihn nicht, aber damit er für Israel sichtbar gemacht werde – (dazu) bin ich gekommen und taufe mit Wasser.«

Johannes weiß darum: das, was uns Menschen von Gott trennt, kann nicht so einfach aufgehoben und aus der Welt geschafft werden. Das kann nur Gott selbst schaffen, kein Mensch, und auch dem erfolgreichen Bußprediger Johannes sind da Grenzen gesetzt: Er tauft nur mit Wasser – der häufigsten Verbindung in unserer Welt und der Stoff, aus dem wir zum größten Teil bestehen. Doch Johannes’ Bußtaufe mit diesem Wasser vermochte eben nicht über diese Welt und was darin ist hinaus wirksam werden. Dazu bedurfte es »Heiligen Geistes« als etwas, das direkt aus Gott entspringt.

Und Johannes bezeugte: »Ich sah den Geist wie eine Taube aus dem Himmel kommen und bei ihm bleiben. Und ich kannte ihn nicht, sondern der, der mich gesandt hatte mit Wasser zu taufen, sagte mir: ›Auf den du den Geist kommen und bleiben siehst, der ist’s, der mit heiligem Geist tauft.‹ Und das habe ich gesehen und bezeugt, der ist Gottes Sohn!«

Wo Johannes nur Abwaschen und Ermutigen konnte, da hat Christus es ermöglicht, mit Heiligem Geist zu taufen und das heißt: Wo ein Mensch auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes getauft wird, da ist das Wasser nur ein Symbol, ein Zeichen dafür, dass uns unsere Schuld vor Gott nicht angerechnet wird.

… und ihrer Überwindung

Das bewirkt der Heilige Geist, den wir in der Taufe unsichtbar empfangen. Wenn der Täufer von dem, der den Geist empfängt und behält, spricht, redet er von Jesus Christus als dem, der uns den Heiligen Geist in der Taufe schenkt. Wir sind deshalb die Freien und Christus selbst nimmt auf sich, was uns von Gott trennt.

Das ist mit der Rede vom »Lamm Gottes« gemeint. Sieh das Lamm Gottes, das die Schuld der Welt trägt, sagt Johannes der Täufer zu seinen Jüngern. Für uns Oberberger ein merkwürdiges Bild. Es spielt auf die Lebenswelt an, in der Jesus, aber auch Johannes der Täufer und seine Jünger zu Zeit des Frühjudentums lebten.

Dort war es seit weit über einem Jahrtausend Brauch, einen Bock in die Wüste zu jagen. Am Jom Kippur, dem im September oder Oktober begangenen Versöhnungstag, feiern Juden in aller Welt bis heute, dass die Schuld des Volkes symbolisch einem Sündenbock aufgebürdet wird, den man dann in die Wüste jagt. Der Jom Kippur war der einzige Tag im Jahr, an dem der Hohepriester das Allerheiligste betreten durfte; heute ist es der höchste Feiertag im Judentum.

Johannes spielt auf diesen Brauch an, wenn er Jesus als Lamm bezeichnet. Er weiß schon darum, dass Jesu Weg ans Kreuz gehen wird, dass er die Schuld allen Volkes auf sich nehmen wird, so wie man dem Sündenbock alle Schuld aufbürdete.

Johannes erzählt eine »Adventsgeschichte« eigener Art

Der Täufer hat Jesus als den erkannt, den er angekündigt hat, lernt ihn jetzt persönlich kennen. Jesus kommt zum ersten Mal zu ihm. Darin liegt der Bezug zu Weihnachten, an dem Gott im Kind in der Krippe in die Welt kam. Im Predigttext kommt Jesus als Erwachsener zu Johannes. Dies verbindet beide Erzählungen.

An der Krippe weist ihn der helle Schein des Sterns und der Lobgesang der himmlischen Heerscharen als Gottes Sohn aus, im Predigttext ist es Johannes, der alles, was Gott ihm über Christus gesagt hat, jetzt zum Greifen nahe vor Augen hat.

Johannes’ Umgang mit Christus

Was ich an diesem Predigttext wirklich spannend finde, ist das Verhalten Johannes’ des Täufers. Obwohl er Christus nicht gekannt hat, erzählte er von ihm weiter. Und als er ihm begegnete, wies er ihn als Gottes Sohn aus.

Doch das fällt an diesem Predigttext auch auf: da passiert kaum etwas. Der Evangelist überliefert, was der Täufer damals gesagt hat und Jesus bleibt stumm. Nicht mal ein kleines Wunder ereignet sich.

Doch dass dies eben so unspektakulär abläuft, finde ich faszinierend. Genau so ist es doch in unserem Leben. Auch wir haben von Jesus Christus gehört, meist schon in Kindertagen. So feurig wie der Täufer zu bekennen: Ja, Christus ist Gottes Sohn, das liegt uns meist schon fern.

Vieles andere ist uns unmittelbar wichtiger. Was wird mit meinem Job sein? Sind die Kinder gut versorgt? Was wird der Arzt sagen und und und. Ganz viele Dinge müssen wir tagtäglich regeln und bedenken, planen und ausführen. Und für Gott bleibt da oft nur wenig Raum.

War das bei Johannes so anders als bei uns? Der Täufer wird auch ein Leben neben dem Taufen gehabt haben. Auch er musste zusehen, dass er genügend zu essen hatte, musste seine Jünger unterweisen und so fort. Doch als er Jesus sieht, hält er einfach inne, bleibt stehen, schiebt alles andere beiseite.

Johannes war offen, Jesus zu erkennen, sich an ihm orientieren. Er hat sich im Tagesgeschäft Zeit genommen, Raum geschaffen, sich auf Jesus einzulassen.

Gott Raum geben

Das ist es, was mich an diesem Predigttext wirklich erstaunt. Und das wünsche ich mir auch für uns, dass wir getaufte Christinnen und Christen uns wie der Täufer Johannes Raum in unserem Leben, in unserem Alltag schaffen, um für Gott aufgeschlossen zu sein.

Da, wo wir das tun, ist Gott in unserem Leben. Vom Täufer können wir lernen, das, was Gott uns in der Taufe geschenkt hat, in unserem Leben einen hervorgehobenen Platz finden zu lassen. Wo wir das schaffen, wird unser Alltag sich dann auch verändern. Wo Gott in unserem Leben Raum hat und vorkommt, da wird unsere Beziehung zu ihm immer besser werden.

Die Folgen können sein, dass wir von den teilweise doch recht schwierigen Umständen, unter denen wir leben und arbeiten, frei werden. Was das heißen soll? Nun, jede und jeder unter uns wird unter anderen Umständen leben. Doch eines ist uns gemeinsam, nämlich dass wir in einer Zeit leben, in der vieles verloren geht, was uns noch vor Jahren selbstverständlich war. Da fallen uns wohl allen Beispiele ein, was heute nicht mehr geht, was früher noch ging, weil andere Maßstäbe gelten – zum Beispiel rein wirtschaftliche.

Wo wir Gott in unserem Leben Raum schaffen, da können wir weniger die Umstände ändern, aber viel mehr unsere Sicht darauf. Das, eine andere Sichtweise, kann uns von vielem frei machen und uns ein neues Leben bescheren.

Wo wir uns schuldig fühlen, können wir mit Gottes Hilfe einen Neuanfang wagen. Johannes hat auf Christus gezeigt und gesagt: Das ist Gottes Sohn. Wo wir dem in unserem Leben Raum geben, können wir dann auch selbst aktiv werden und ihn bezeugen in Wort und Tat. Wo wir das tun, mit Gott leben und nach seinem Wort handeln, da wird sich unsere Perspektive verändern. Und vielleicht, ja vielleicht verändert sich ja etwas in unserer Umwelt, wenn wir nach Gottes Maßgabe der Nächstenliebe leben und zeigen: Es geht auch anders. Dazu helfe uns Gott.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

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