Den Blick heben, nicht nur nach unten sehen … Ostern erinnert uns daran, dass der Himmel näher ist, als wir meinen.

Predigt über Kolosser 3,1–4: Den Himmel suchen

Osternacht am 9. April 2023 in Wiedenest. Veröffentlicht 09.04.2023, Stand 13.02.2024, 1068 Wörter.

Die Gnade unseres Herrn, Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!

Liebe Gemeinde, »Der Herr ist auferstanden!« Mit diesem Ruf haben wir eben Ostern gefeiert: Gott hat den Tod überwunden, damit wir neues Leben haben.

Der Kolosserbrief im Neuen Testament wirft einige Zeit nach Ostern einen Blick darauf, was Jesu Auferstehung für uns bedeutet. In der Taufe sind wir mit ihm verbunden worden. Taufe bedeutet, dass das, was uns von Gott trennt, stirbt und schon jetzt ein »neuer Mensch« aufersteht, der zu Christus gehört. Doch diese »Auferstehung« ist ein geistliches Geschehen, wir sind ja noch immer ganz der alte Mensch, der wir immer waren.

Geistlich neu zu sein, »auferstanden zu sein«, soll deshalb in unserem Leben Folgen haben. Ich lese den Predigttext aus dem Kolosserbrief, Kapitel drei:

Seid ihr nun mit Christus auferweckt, so sucht, was droben ist, wo Christus ist, sitzend zur Rechten Gottes. Trachtet nach dem, was droben ist, nicht nach dem, was auf Erden ist. Denn ihr seid gestorben, und euer Leben ist verborgen mit Christus in Gott. Wenn aber Christus, euer Leben, offenbar wird, dann werdet ihr auch offenbar werden mit ihm in Herrlichkeit.
— Kolosser 3,1–4 (Lutherbibel 2017)

Gott, wir danken Dir für Dein Wort. Sende Deinen Heiligen Geist, dass wir es fassen und zum unsrigen machen. Amen.

Liebe Gemeinde, gerade haben wir eine Menge an »Wenn … dann …« gehört. Imperative waren auch dabei: Der Text gibt klare Anleitung, was zu tun ist. Und das ist, so der Kolosserbrief, eine Haltung zu leben.

Die Bilderwelt ist einfach gehalten: hier auf der Erde ist »unten«, dort, wo Christus ist, »droben«. Das Bild vom himmlischen Thronsaal wird aufgenommen: in diesem »droben« sitzt Christus neben Gott auf dem Thron.

Das altmodische Wort »droben« (τὰ ἄνω, V.1f) bezieht sich also weniger auf eine konkrete Richtung, sondern meint die himmlischen Dinge. Es geht nicht um ein physisches »oben«, sondern um ein spirituelles »auf Gott hin«. Dieses »droben« ist, was wir mit »Himmel« oder »Paradies« als Ort Gottes bezeichnen.

Himmelwärts leben

Ostern heißt dann, mit dem Kolosserbrief gesagt, »sich zu strecken«, sich himmelwärts auszurichten, denn Ostern küssen sich »Himmel« und »Erde«, sind sich so nah wie nie, weil Christus den Himmel zu uns herunterzieht.

»Der Himmel muss mir werden, da ist mein Vaterland …« (eg 529 Ich bin ein Gast auf Erden) dichtete Paul Gerhard. Sich »nach droben« zu orientieren, hat etwas mit Haltung zu tun. Himmel auf Erden können wir zu realisieren versuchen, das ist gemeint. Der Kolosserbrief geht sogar weiter: Wir sollen dies probieren, Himmel soll mehr als ein abstrakter Gedanke für uns sein.

Doch wie kann das gehen, himmelwärts ausgerichtet zu leben? Einige Ideen: Wir leben himmelwärts (τὰ ἄνω ζητεῖτε, V. 1; τὰ ἄνω φρονεῖτε, V. 2), wenn wir uns bemühen

  • Frieden und Gerechtigkeit zu schaffen,
  • für Schwache eintreten,
  • das Gute zu fördern versuchen und dem Bösen keinen Raum geben.
  • Wenn wir Gerüchte nicht tratschen, sondern »alles prüfen und das Gute behalten« (vgl. 1. Thess 5,21).
  • Auch die Kotzbrocken grüßen.
  • Und: mit Gottes Hilfe nach Kräften versuchen, die Hoffnung nicht fahren zu lassen, sondern auch im Schweren an Gott zu bleiben.
  • Dazu gehört auch, kompromissbereit zu sein, sich auch etwas zu biegen, aber nicht zu brechen.

Vielleicht sprechen Sie nachher beim Osterfrühstück über weitere Ideen, wie wir »himmelwärts leben« können und, vor allem, wie dies gelingen könnte.

Der Anspruch im Kolosserbrief

»Der Himmel muss mir werden« – das ist christliche Hoffnung, die noch Zukunftsmusik ist. So müde wie ich mich so früh am Morgen fühle, wird mir klar: da bin ich noch nicht. Jetzt ist noch vieles anders, sehe ich mich vor Herausforderungen, die oft größer sind als mein kleiner Mut. Ich finde, dass der Predigttext aus dem Kolosserbrief mit seinen Forderungen anspruchsvoll ist. Kann ich leisten, was da steht?

Doch der Anspruch ist in Zuspruch verschränkt. Von unserer Warte aus hören wir, wozu der Text uns auffordert. Wenn wir die Perspektive umdrehen, klingt dies nicht mehr so schwierig: Aus Gottes Sicht sind wir in der Taufe schon neu geworden. Ein Stück Himmel ist schon bei uns und wir »stehen mit einem Bein im Reich Gottes«. Das hört sich besser an, als wir es erleben. Im Kolosserbrief steht dann auch: Dieses Leben ist noch verborgen (ἡ ζωὴ ὑμῶν κέκρυπται σὺν τῷ Χριστῷ ἐν τῷ θεῷ·, V. 3).

Und nun? Wir sollen uns dorthin begeben, wozu wir in der Taufe schon den Schlüssel bekommen haben, in Gottes Reich. Dieses Ideal können wir doch bestenfalls in »Sternstunden« verwirklichen und dies sind dann besondere Momente, die rasch vorüber sind.

Etwas Himmel schon jetzt

Es geht also nicht darum, wie ein Hans-guck-in-die Luft durchs Leben zu gehen, sondern »geerdet« zu sein. Geerdet sind wir, wenn wir mit beiden Beinen fest in der Wirklichkeit stehen, keine realitätsferne Schwärmerei leben. Der Text macht deutlich, dass wir jetzt den Himmel suchen sollen. Dies hat Folgen dafür, wie wir unser Leben führen, einige Ideen dazu haben wir eben gehört. Sicherlich geht es dabei weniger darum, etwas zu sollen oder gar zu müssen, sondern darum, etwas zu können: Ich darf anders leben, weil Jesus Christus für mich auferstanden ist.

Wenn ich die Ausrichtung nach »droben« so verstehe, gewinne ich mit Jesus Christus die Möglichkeit, anders zu leben. Dann ist dies kein Zwang, sondern eine Befreiung: der Raum, in dem ich leben kann, ist größer geworden. Ich kann auch anders – im positiven Sinn.

Schluss

Ostern erinnert mich, dass der Himmel näher ist, als ich meine. Gott ist da, Christus zeigt ihn mir: Leben in Fülle. Doch diese Herrlichkeit ist eben jetzt noch nicht: »Wenn Christus offenbar wird … dann werdet ihr auch offenbar werden« (ὅταν ὁ Χριστὸς φανερωθῇ … τότε καὶ ὑμεῖς … φανερωθήσεσθε …, V. 4) steht im Text. Wir sind noch nicht im Himmel, sondern auf der Erde.

Der Predigttext ist deshalb wie eine Erinnerung. Vor lauter Alltag, Sorgen, Aufgaben und Verantwortlichkeiten sollen wir den Himmel nicht aus den Augen verlieren, sondern im Bewusstsein der Gegenwart Gottes leben. Ostern als Verbindungslinie zwischen Himmel und Erde kann mir helfen, dies nicht zu vergessen. Und dann kann es, wie wir es eben mit dem Sonnenaufgang erleben, hell werden (Hier geht heute die Sonne um 6:48 Uhr auf).

Liebe Gemeinde, vertrauen wir auf Gottes Nähe an allen Tagen, denn der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden. Halleluja.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus, Amen.

Seite teilen: WhatsApp · Telegram · Threema · Threads · Facebook · E-Mail