Karfreitag steht für Abbruch, doch es ist auch ein Chance, Glauben zu wagen.

Predigt über Kolosser 1,13–20: Karfreitag – Glauben wagen

An Karfreitag, 7. April 2023, in Derschlag. Veröffentlicht 07.04.2023, Stand 13.02.2024, 1266 Wörter.

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit Euch allen!

Hören wir den Predigttext aus dem ersten Kapitel des Kolosserbriefes:

Er hat uns errettet aus der Macht der Finsternis und hat uns versetzt in das Reich seines geliebten Sohnes, in dem wir die Erlösung haben, nämlich die Vergebung der Sünden.

Er ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes,
der Erstgeborene vor aller Schöpfung.
Denn in ihm ist alles geschaffen,
was im Himmel und auf Erden ist,
das Sichtbare und das Unsichtbare,
es seien Throne oder Herrschaften
oder Mächte oder Gewalten;
es ist alles durch ihn und zu ihm geschaffen.
Und er ist vor allem,
und es besteht alles in ihm.

Und er ist das Haupt des Leibes, nämlich der Gemeinde.
Er ist der Anfang,
der Erstgeborene von den Toten,
auf dass er in allem der Erste sei.
Denn es hat Gott gefallen, alle Fülle in ihm wohnen zu lassen
und durch ihn alles zu versöhnen zu ihm hin,
es sei auf Erden oder im Himmel,
indem er Frieden machte durch sein Blut am Kreuz.
— Kolosser 1,13–20 (Lutherbibel 2017)

Gott, wir danken Dir für Dein Wort. Sende Deinen Heiligen Geist, dass wir es fassen und zum unsrigen machen. Amen.

Liebe Gemeinde, die liturgische Farbe des heutigen Karfreitags ist Schwarz: Christus ist gestorben. Als wir dies eben in der Schriftlesung gehört haben, haben wir die Kerzen gelöscht. Das Licht der Osterkerze ist aus.

Früher war es in den Häusern noch Brauch, dass, wenn jemand verstarb, die Spiegel verhängt wurden und man Trauer trug. Die Alten unter uns wissen noch um das Brauchtum des Trauerjahrs, in dem man sich schwarz kleidete oder kennen den Brauch, dass Trauernde eine schwarze Ärmelbinde trugen.

In unserer heutigen Gesellschaft ist dies nicht mehr üblich. Die Werbung zeichnet ein anderes Bild: Wir sind jung, verreisen, sind zahlungskräftig und erfolgreich – oder, das ist die Alternative, außen vor. Trauer passt da kaum hinein.

Karfreitag ist ein Grund, Glauben zu wagen

Im Kolosserbrief hören wir anderes, wenn es um die Dunkelheiten in unserem Leben geht: »Er hat uns errettet aus der Macht der Finsternis und hat uns versetzt in das Reich seines geliebten Sohnes, in dem wir die Erlösung haben, nämlich die Vergebung der Sünden.«

Es mutet seltsam an, dass dieser Predigttext am Karfreitag hauptsächlich ein Hoffnungstext ist. Ist nicht einmal heute die »Trauerbinde« erlaubt, sondern nur positive Bilder mit kleinem karfreitäglichem Nachsatz? (9 von 153 Wörtern)

Kreuz

Der Text erschließt sich am besten vom Ende her, auch wenn es da schon ganz Ostern ist: »Er ist der Anfang, / der Erstgeborene von den Toten, / auf dass er in allem der Erste sei. / Denn es hat Gott gefallen, alle Fülle in ihm wohnen zu lassen / und durch ihn alles zu versöhnen zu ihm hin, / es sei auf Erden oder im Himmel, / indem er Frieden machte durch sein Blut am Kreuz.«

Der Nachsatz, »indem er Frieden machte durch sein Blut am Kreuz«: das ist heute, das ist Karfreitag. Dass Jesus ans Kreuz gegangen ist, um dem Tod ein Ende zu setzen, ist die Quelle unseres Glaubens, aus dem uns Leben zuströmt.

An Ostern feiern wir übermorgen seine Auferstehung: Christus hat für uns den Tod besiegt. Deshalb haben wir Hoffnung auf ein Leben bei Gott: ohne Krieg, Leid, Geschrei, Krankheit, Hass, Habgier, … wir kennen zu vieles, womit man eine solche Liste fortsetzen könnte.

Da ist mehr, das ist, was wir glauben. Dies hier, dieses oftmals zappendustere Schwarz mancher Tage, ist nicht alles. Gott selbst hat so etwas erlebt, aber er hat es für uns überwunden. Wer das glaubt, ist selig.

Doch wer zweifelt, braucht sich bestimmt nicht allein zu fühlen; schon Paulus wies darauf hin, dass christlicher Glaube aller Vernunft widerspricht (cf. 1. Korinther 1). Glauben zu wagen heißt, auch in der Dunkelheit nicht stehenzubleiben, sondern weiterzugehen. Vielleicht können wir diesen Karfreitag nutzen, Glauben neu zu wagen – allen Zweifeln einmal ins Gesicht zu lachen und sie in das Schwarz dieses Tages verbannen.

Wie schwierig es ist, Glauben zu wagen, wissen wir alle. Es ist wie der berühmte »Sprung ins kalte Wasser«, manchmal scheint es unvernünftig, wie eine Dummheit. Gott sei Dank gibt es auch die anderen Tage, an denen wir merken, wie Glaube uns durchtragen kann. Glaube ist ein Halt in rauen Zeiten, doch manchmal gilt es eben, sich wie ein Odysseus in den Stürmen unseres Lebens an den Mast zu binden und nicht auf die Stimmen zu hören, die Glauben zurückdrängen und Zweifel sähen wollen.

Was ist denn unser Glauben? Es ist Wirken Gottes an uns und sein Heiliger Geist ist es, der Glauben in uns wirkt. Er schenkt uns, Christus immer wieder zu finden.

Wer ist Jesus Christus?

Wer ist er eigentlich? Wie geht das, Christus zu finden? In den Sozialen Medien stieß ich dazu auf folgenden Beitrag:

Mastodon: Ich hab Jesus auch noch nie gesehen.

Mastodon: Ich hab Jesus auch noch nie gesehen. https://mastodon.social/@lovinurbanism/109930711903812525

Wer ist Jesus Christus? Und wie kann ich ihn finden? Diese Fragen bewegen uns alle irgendwann. Wir haben als Antwort Glaubensaussagen im Kopf: »Er ist Gottes Sohn«, »Er ist Heiland«, »In ihm finde ich Gott« und so weiter. Diese Aussagen wecken erste Bilder, sind Wege, Christus zu begreifen.

Wir haben noch andere Bilder von ihm. Vielleicht sind es die, die wir früher in einer Kinderbibel gesehen haben. Na klar: Dann hatte Jesus einen Bart, braune Haare und trug ein langes Gewand über Sandalen. Das Filmplakat bedient dieses Klischee. Schaut man in die Kunstgeschichte, begegnet diese Stereotype von Anfang an, ist der Mehrheit aller Christusdarstellungen gemein.

Doch wer ist Jesus Christus für mich? Was ist meine Antwort? Bleibe ich bei theologischen Antworten? Wenn ich ihn beschreiben müsste: könnte ich ein realistisches »Bild« zeichnen?

Vielleicht brauchen wir solche Vorstellungen als Hilfsmittel, um Christus etwas näherzukommen. Letztlich bleibt die Frage, wer Jesus Christus für mich ist, unklar, weil die Antwort immer nur Aspekte liefert, aber nie vollständig ist. Christus bleibt für uns ein Stück weit »im Dunkeln« und wo wir uns ein Bild von ihm machen, reduzieren wir ihn.

Heute, an Karfreitag, sind wir – wie übermorgen an Ostern – im Kirchenjahr am Gipfel unseres Fragens nach Jesus Christus angekommen. So manche, so mancher scheitert an einer Antwort.

Auch die Antwort, dass Christus sich bewusst zur Vergebung unserer Schuld hingegeben hat, überzeugt viele Menschen heute nicht mehr: Warum sollte Christus sich für mich opfern, lautet dann die Frage, und weiter, ob Gott in seiner Allmacht denn nicht ohne dies auskomme.

In der Christenheit war die Deutung, dass Christus durch den Tod gegangen ist, um uns einen Weg zum Leben zu bahnen, von Anfang an Konsens. Gott ist in Christus auch ganz Mensch geworden, um eben nicht der ferne Gott zu sein, der einfach mit den Fingern schnipst, sondern ein naher Gott, der mit uns durchs Leben geht.

Das Geheimnis des Glaubens heißt in der Abendmahlsliturgie ganz klassisch:

Deinen Tod, o Herr, verkünden wir
und Deine Auferstehung preisen wir,
bis Du kommst in Herrlichkeit.

Liebe Gemeinde, mit dem Predigttext sind wir zwischen Karfreitag und Ostern unterwegs gewesen. Wer ist Jesus Christus? Schenke uns Gott, dass wir – allen Zweifeln zum Trotz – unsere Antwort darauf finden. Mehr noch: Dass wir Christus in Gottes Geist als Kraftquelle unseres Lebens und unserer Hoffnung erfahren, besonders in schwierigen Zeiten.

Dann kommen wir vom Schwarz des Karfreitags zum Weiß von Ostern, dann wird es in unserem Glaubensleben Licht, weil wir Christus nahe erleben. So können wir Kraft und Mut zur Veränderung finden und ein bisschen besser das aushalten, was wir nicht verändern können.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus, Amen.

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