*Horror vacui*, die Angst vor der Leere, steht für unsere »Wüstenzeiten«. Jesaja zeigt, dass Gott anderes für uns bereithält, unsere »Wüsten« endlich sind.

Predigt über Jesaja 55,6–13: Gottes wunderbarer Weg

Am Sexagesimae, 12.02.2023, in Derschlag. Veröffentlicht 12.02.2023, Stand 13.02.2024, 1411 Wörter.

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit Euch allen!

Hören wir den Predigttext aus Kapitel 55 des Prophetenbuchs von Jesaja:

Suchet den HERRN, solange er zu finden ist; ruft ihn an, solange er nahe ist. Der Gottlose lasse von seinem Wege und der Übeltäter von seinen Gedanken und bekehre sich zum HERRN, so wird er sich seiner erbarmen, und zu unserm Gott, denn bei ihm ist viel Vergebung. Denn meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der HERR, sondern so viel der Himmel höher ist als die Erde, so sind auch meine Wege höher als eure Wege und meine Gedanken als eure Gedanken.
Denn gleichwie der Regen und Schnee vom Himmel fällt und nicht wieder dahin zurückkehrt, sondern feuchtet die Erde und macht sie fruchtbar und lässt wachsen, dass sie gibt Samen zu säen und Brot zu essen, so soll das Wort, das aus meinem Munde geht, auch sein: Es wird nicht wieder leer zu mir zurückkommen, sondern wird tun, was mir gefällt, und ihm wird gelingen, wozu ich es sende.
Denn ihr sollt in Freuden ausziehen und im Frieden geleitet werden. Berge und Hügel sollen vor euch her frohlocken mit Jauchzen und alle Bäume auf dem Felde in die Hände klatschen. Es sollen Zypressen statt Dornen wachsen und Myrten statt Nesseln. Und dem HERRN soll es zum Ruhm geschehen und zum ewigen Zeichen, das nicht vergehen wird.
— Jes 55,6–13 (Lutherbibel 2017)

Gott, wir danken Dir für Dein Wort. Sende Deinen Heiligen Geist, dass wir es fassen und zum unsrigen machen. Amen.

Gott in unseren »Wüstenzeiten« finden

Liebe Gemeinde, »Mein Wort wird nicht wieder leer zu mir zurückkommen«, sagt Gott im Predigttext, der beinahe wie ein Lied, ein Psalm, anmutet. »Ihr könnt mir etwas zutrauen«, lautet diese Botschaft übersetzt, »denn ich habe die Kraft, alles zu verändern.«

Danke, Gott, dass das so ist. Du bist ein Gott, mit dem wir rechnen können, weil Du Leben reich und erfüllt machst. Wo wir uns an Dich halten, können Ströme im trockenen Land aufbrechen, kann Wachstum und Gedeihen stattfinden.

Im Psalm (Psalm 63, eg RWL 729) haben wir Gotteslob ausgesprochen: »Es dürstet meine Seele nach dir, mein ganzer Mensch verlangt nach dir aus trockenem, dürrem Land, wo kein Wasser ist.« (Ps 63,2) Dies korrespondiert mit den Worten, die Jesaja überliefert. Der Psalm wird König David zugeschrieben, als er das noch nicht war, als Saul noch König über Israel war. Und Saul hasste David, verfolgte ihn, stellte ihm nach. David hatte vor ihm fliehen müssen, war Anführer einer Gruppe wilder Männer geworden, ein Gesetzloser, der in der Wüste lebte. (Vgl. 1. Sam 22.) »Ein Psalm Davids, als er in der Wüste Juda war« (Ps 63,1), ist der Psalm überschrieben.

David hatte also fliehen müssen. Raus aus Jerusalem, raus aus seinem Leben, unschuldig verfolgt von einem König, der dem Wahnsinn nahe gekommen war und ihm nachstellte. Wohin er auch sah: Abbruch. »Ende im Gelände« hatte es für ihn geheißen und nun war er buchstäblich in der Wüste.

Liebe Gemeinde, so etwas kennen wir alle. Wir alle waren schon in einer der »Wüsten«, die das Leben immer wieder für uns bereithält. Sorgen und Ängste, Nöte und schlaflose Nächte, bohrende Fragen und keine Antworten … mehr sage ich nicht.

Haben Sie Gott in Ihrer »Wüste« getroffen oder sind sie allein geblieben? Ich vermute einmal, dass sie ihn getroffen haben, denn sonst wären sie wohl kaum hier.

Ich war schon einmal in einer echten Wüste. Wir haben in Ägypten, kurz vor Libyen, in einer Oase übernachtet, ganz rustikal. Auf den Dünen haben wir den Sonnenaufgang erlebt. Beim Frühstück war etwas Sand im Brot, man musste beim Kauen aufpassen.

Wüstenstraße.

Auf dem Weg in die Wüste.

Nachmittags sind wir in die Wüste hinausgefahren, mit einem Jeep und einem einheimischen Fahrer. Dort haben wir den Sonnenuntergang erlebt und das Fastenbrechen gleich mitgefeiert, denn als die Sonne endlich untergegangen war, hielt der Wagen an und unser Fahrer, ausgehungert wegen des muslimischen Fastens im Ramadan, bereitete sich auf einem Primuskocher starken süßen Tee auf der Heckklappe zu. Er lud uns ein und wir teilten Brot und Datteln.

Ich ging mit meiner Tasse ein Stück in die dunkel gewordene Wüste hinaus, von der Trasse fort. Die Sterne strahlten auf und es war ganz still.

»Wüstenzeiten« sind auch stille Zeiten, von Kargheit geprägt; da ist nicht viel Vertrautes. Diesen 63. Psalm verstehe ich deshalb gut. Für mich ahnungslosen westlichen Touristen war diese so »rundum-gepamperte« Wüstenerfahrung auch eine Gelegenheit zum Gebet: »Gott, du bist mein Gott, den ich suche. Es dürstet meine Seele nach dir, mein ganzer Mensch verlangt nach dir aus trockenem, dürrem Land, wo kein Wasser ist.« (Ps 63,2)

Gott zeigt uns Wege aus der Wüste

Liebe Gemeinde, bei Jesaja erinnert uns Gott: »Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der HERR, sondern so viel der Himmel höher ist als die Erde, so sind auch meine Wege höher als eure Wege und meine Gedanken als eure Gedanken.«

Wie gut tut es, dies zu hören, ganz besonders dann, wenn wir an unsere »Wüstenzeiten« denken. Dieser Satz erinnert daran, dass Gott unsere Wüsten in fruchtbares Land verwandeln, dass er Leben schaffen kann, wo wir dies nicht sehen. Wie heißt das bei Jesaja?

Das Wort, das aus meinem Munde geht, (wird) auch (so) sein: Es wird nicht wieder leer zu mir zurückkommen, sondern wird tun, was mir gefällt, und ihm wird gelingen, wozu ich es sende.

Vor uns liegt die Passionszeit. Übernächste Woche fangen mit dem Aschermittwoch die vierzig Tage (ohne die Sonntage) bis Ostern an, in denen wir Jesu Weg nach Jerusalem und ans Kreuz bedenken. Auch er kannte Wüste, kannte das Gefühl, von Gott verlassen zu sein.

Für uns ist Jesus Christus Gottes Wort, ein Fanal seiner Lebensverheißung. Wüste ist endlich und mit Gottes Geist können wir über unseren »Wüsten« »Sternenglanz« erkennen und mit Erstaunen neue Wege und Seinsweisen finden. »Mein Wort wird nicht wieder leer zu mir zurückkommen« heißt, dass Gott uns neue Wege weist und sie mit uns geht.

Denn ihr sollt in Freuden ausziehen und im Frieden geleitet werden. Berge und Hügel sollen vor euch her frohlocken mit Jauchzen und alle Bäume auf dem Felde in die Hände klatschen. Es sollen Zypressen statt Dornen wachsen und Myrten statt Nesseln.

Mit diesem Vers endet dieser so hymnische Predigttext beinahe. Jesaja überliefert den Hinweis, dass mit Gott Durststrecken erträglich werden. Bilder von üppig wuchernder und blühender Natur illustrieren dies: da ist keine Wüste mehr, sondern Leben die Fülle.

Vorhin erzählte ich von einer Oase. Gott schenkt uns solche Oasen, Orte des Lebens, mitten in der Wüste. Gottesdienst sollte solch eine Oase sein – lassen Sie uns dies nachher beim Kaffeetrinken überprüfen.

Gottesdienst: hören wir es als Gottes Dienst, als zwei Wörter. Gottes Dienst an uns ist, dass er uns den Becher im trockenen Land reicht, der uns wieder zum Sprudeln bringt. Gottes Dienst ist, dass er uns Brot reicht, das uns zu Lebenskraft, Hoffnung und Mut wird. Selbst dann, wenn manchmal etwas Sand darin ist. Und Gottes Dienst ist, dass er uns Geschwister an die Seite stellt, die mit uns im Gebet mit Gott vereint sind.

Das sind doch unsere Wüstenerfahrungen: Erfahrungen von Abbruch und Alleinsein, wenn das bisherige Leben »trockengefahren« ist. Dann brauchen wir »Oasen«, also Menschen und Orte, die uns nicht aufgeben lassen. Das ist Kirche, in zweifacher Hinsicht: als Ort wie als Gemeinschaft, denn Kirche, das sind wir alle.

Schluss

Liebe Gemeinde, mit dem Propheten Jesaja sind wir ein Stück gelaufen. Der Weg hat uns in die »Wüste« geführt. Wir haben, ein halbes Jahrtausend vor Jesaja, König David in seiner Wüstenzeit getroffen. Wir haben auch an unsere Wüsten gedacht.

Jesaja sagt Gottes Wort an und erinnert, dass Gott nicht der »Wüste« in unserem Leben das letzte Wort lässt, sondern dass er das letzte Wort hat. Was das enthält, bringt Jesus Christus zum Ausdruck, wenn er sagt: »Ich lebe, und ihr sollt auch leben.« (Joh 14,19b) Selbst er war in der Wüste, dem Gegenteil von Leben und Gelingen, ist »hinabgestiegen in das Reich des Todes«.

Gott weiß, was »Wüste« für uns bedeutet. Danken wir Gott, dass er uns dort nicht allein lässt, dass er uns Geschwister zur Seite stellt, die uns zur nächsten »Oase« helfen. Er verlässt uns nicht, so wie sein Wort zum Ziel gelangt und nicht vergeht.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus, Amen.

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