Paulus ist aus dem Gewohnten in Neues aufgebrochen. Gemeinsam mit einem Freund hat er einen neuen Kontinent erreicht und dort neue Freunde hinzugewonnen.

Predigt über Apostelgeschichte 16,6–15: Gemeinsam neue Wege finden

Am 19. Juni 2022 in Wiedenest. Veröffentlicht 19.06.2022, Stand 13.02.2024, 1483 Wörter.

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit Euch allen!

Liebe Gemeinde, der Idealfall des Lebens ist doch, wenn alles so ist, wie es schon immer war. Überraschungen sollen sich bitte unter Geschenkpapier verbergen – im Alltag soll es erwartbar zugehen.

Wenn es anders kommt, ist das meist nicht schön. Das kostet Nerven. Die Aufregung, wenn man umplanen muss oder Termine im Kalender verschieben, ändern oder gar absagen muss! Wenn das Gerenne plötzlich losgeht oder das Ohr vom Telefonhörer ganz warm wird; immerhin: schmerzende Wählscheibenfinger gibt es heute nicht mehr, ein Fortschritt.

Kennen Sie das? Ja sicher, irgendwann ist uns allen so etwas widerfahren und das erste Wort, das einem zu diesen Situationen als Überschrift einfällt, ist leider allzuoft das Wort Stress.

Der Apostel Paulus kannte das auch. Ich lese aus Kapitel 16 der Apostelgeschichte:

In Troas: Paulus wird nach Makedonien gerufen
Danach zogen Paulus und seine Begleiter weiter
durch Phrygien und das Gebiet von Galatien.
Denn der Heilige Geist hinderte sie daran,
die Botschaft in der Provinz Asia zu verkünden.
Als sie schon fast in Mysien waren,
wollten sie nach Bithynien weiterreisen.
Doch der Geist, durch den Jesus sie führte,
ließ das nicht zu.
Also zogen sie durch Mysien
und kamen zum Meer hinab nach Troas.

In der Nacht hatte Paulus eine Erscheinung.
Ein Mann aus Makedonien stand vor ihm und bat:
»Komm herüber nach Makedonien und hilf uns!«
Gleich nachdem Paulus die Erscheinung gehabt hatte,
suchten wir nach einer Möglichkeit,
um nach Makedonien zu gelangen.
Denn wir waren sicher:
Gott hatte uns dazu berufen,
den Menschen dort die Gute Nachricht zu verkünden.

In Philippi: Lydia bekehrt sich zum Gott Israels
Von Troas aus setzten wir
auf dem kürzesten Weg nach Samothrake über.
Einen Tag später erreichten wir Neapolis.
Von dort gingen wir nach Philippi.
Das ist eine bedeutende Stadt in diesem Teil Makedoniens
und eine römische Kolonie.
In dieser Stadt blieben wir einige Zeit.

Am Sabbat gingen wir
durch das Stadttor hinaus an den Fluss.
Wir nahmen an,
dass dort eine jüdische Gebetsstätte war.
Wir setzten uns und sprachen zu den Frauen,
die an diesem Ort zusammengekommen waren.

Unter den Zuhörerinnen war auch eine Frau namens Lydia.
Sie handelte mit Purpurstoffen
und kam aus der Stadt Thyatira.
Lydia glaubte an den Gott Israels.
Der Herr öffnete ihr das Herz,
sodass sie den Worten von Paulus aufmerksam zuhörte.
Sie ließ sich taufen
zusammen mit ihrer ganzen Hausgemeinschaft.

Danach bat sie: »Wenn ihr überzeugt seid,
dass ich wirklich an den Herrn glaube,
dann kommt in mein Haus.
Ihr könnt bei mir wohnen!«
Sie drängte uns, die Einladung anzunehmen.

— Apostelgeschichte 16,6–15 (Basisbibel)

Gott, wir danken Dir für Dein Wort. Sende Deinen Heiligen Geist, dass wir es fassen und zum unsrigen machen. Amen.

Von Irrungen und Wirrungen oder wenn alles anders kommt

Liebe Gemeinde, Paulus hatte mehr als einen schlechten Tag. Er kam nicht weiter, alle Wege waren ihm versperrt. Die Apostelgeschichte berichtet, wie er am Beginn seiner zweiten Missionsreise in der Westtürkei einfach keinen Weg fand, den er gehen konnte.

Dass wir die Ortsnamen aus dem Text kaum kennen, ist nicht schlimm. Lassen Sie es mich so zusammenfassen: Das waren Orte, die in verschiedenen Himmelsrichtungen lagen und Paulus wollte eine ziemliche Zick-Zack-Linie laufen, mal nach Osten, mal nach Westen. Schon wenn man das auf der Landkarte nachvollziehen will, geht es ganz schön hin und her.

Paulus erlebte, dass er nicht dahin gehen konnte, wohin er wollte, »denn der Heilige Geist hinderte sie daran.« (V. 14) Als er sich in die andere Richtung wandte, stellte er nach mehrtägiger Reise fest, dass auch dies die falsche Richtung war. Und wieder erlebte er, die Richtung nicht ändern zu können. Wie frustrierend muss das gewesen sein!

Dieser Tage endet für viele junge Menschen die Schule, weil sie den Abschluss gemacht haben. Das ist so eine Situation, in der man meist nur eine ungefähre Vorstellung davon hat, wohin die Lebensreise gehen wird. Viele haben eine Ausbildungsstelle oder einen Studienplatz, andere einen Platz im Freiwilligendienst, manche noch gar nichts. Aber selbst diejenigen, die wissen, wie es in den nächsten Wochen weitergeht, haben kein exaktes Wissen, wie das konkret werden wird.

Was Paulus vor zweitausend Jahren erlebte, ist, in anderer Weise, ganz aktuell. Den Großteil unseres Lebens »fahren wir auf Sicht« und müssen folglich mit Unwägbarkeiten und kurzfristigen Änderungen leben. Selbst die Planungsfreudigen wissen, dass man nur ein Stück weit vorausdenken kann. Die Fünfjahrespläne des Sozialismus zeigen eindrücklich, wie gefährlich ein Zuviel an Planung sein kann; irgendwann läuft dies an der Realität vorbei.

Wie kann ich Orientierung finden?

Wie kann ich denn Orientierung finden, wenn ich immer nur eine kleine Strecke Lebensweg planen kann? Vielleicht, indem ich es wie Paulus mache: Er ist nicht allein losgezogen, sondern hat gute Weggefährten gesucht. »Einer mag überwältigt werden, aber zwei können widerstehen, und eine dreifache Schnur reißt nicht leicht entzwei« (Koh 4,12) heißt es schon im Buch des Predigers Salomo.

Orientierung kann man nur ein Stück weit haben. Viel wichtiger ist es deshalb, jemanden an der Seite zu haben, mit dem man auch im »Dickicht des Lebens« noch vorwärtskommt und der einem aufhilft, wenn man strauchelt.

Paulus wurde von Gottes Geist gelenkt. Er versperrte ihm Wege, eröffnete ihm aber auch neue. Paulus wird trotzdem nicht be-geistert gewesen sein; wie unlieb uns Neues und Planänderungen sind, wurde eingangs thematisiert.

Neue Wege …

In der Nacht träumte Paulus, dass ihn jemand auf die andere Seite der Ägäis rief, von der Türkei sollte er Richtung Griechenland übersetzen. Am nächsten Tag war Paulus unterwegs.

»Lass mich eine Nacht drüber schlafen«, sagen wir oft, wenn schwierige Entscheidungen vor uns liegen. Am nächsten Tag fühlt sich die Sache meist anders an, dann weiß man, ob eine Entscheidung eher geht oder man eher die Finger davon lassen sollte.

Paulus hatte einen Traum. In dieser Nacht hat er eine Entscheidung getroffen, deshalb konnte er am Morgen aufbrechen. Der Zick-Zack-Kurs der vergangenen Wochen lag nun hinter ihm, er wusste, welchen Weg er gehen würde.

… können zu gutem Ziel führen

Seine Reise war erfolgreich. Nachdem er sein Zaudern abgelegt hatte und nicht weiter in der Türkei umhergereist war, in der er doch schon an so vielen Orten Gemeinden gegründet hatte, war er zu Neuland aufgebrochen. Dieses Neue, Unklare, Unbekannte hatte er mit Erfolg gestaltet, unbekanntes Terrain markiert.

Schon bald hatte er neue Menschen kennengelernt, neue Menschen für Jesus Christus begeistert. Mit Lydia hatte er gleich die erste Frau als Gemeindeleiterin auf europäischem Boden eingesetzt. Denn da war er nun, er hatte buchstäblich einen neuen Kontinent betreten, war vom Orient in den Okzident gelangt.

Weg in der Wüste

Aufbruch birgt Chancen

Liebe Gemeinde, so alt der Text ist, so aktuell ist er auch. Als Paulus sein Zögern, sein auf »abgegrasten Weiden« Weiterreisen aufgegeben und sich in das unbekannte Neue aufgemacht hatte, war er reich beschenkt worden. Was wäre nur gewesen, wenn er das nicht getan hätte? Veränderung muss gestaltet werden – nur »weiter so wie bisher« ist verpasste Chance. Und zu leben heißt, sich zu verändern.

Vorhin sagte ich: Es ist gut, Weggefährten zu haben, um sich nicht zu verirren. Gerade auf neuen Wegen ist dies hilfreich. Aufbruch birgt Chancen, auch wenn viele Menschen zuerst auf die Risiken sehen.

Noch etwas ist hilfreich, wenn man aufbricht: das Vertrauen auf Gottes Nähe und Beistand. Für Paulus war dies keine Frage, doch in unserer aufgeklärten Zeit ist das ein großes Thema. Welche Rolle spielt mein Glaube, wenn ich in Neues aufbreche? Trägt er?

»Zwei können widerstehen, und eine dreifache Schnur reißt nicht leicht entzwei«, das haben wir vorhin aus dem Buch des Predigers Salomo gehört. Weggemeinschaft ist ein Gelingensfaktor auf Lebensreisen und mit Gott als Drittem im Bunde kann man auch auf schwierigen Wegen die »Gänseblümchen« links und rechts entdecken.

Abendmahl als Wegzehrung

Liebe Gemeinde, wenn wir als Einzelne, als Paare oder Familien, als Gemeinde auf dem Weg sind, können wir mit Gottes Hilfe Veränderung gestalten. Zu gestalten heißt, eine Sache aktiv in eine bestimmte Richtung oder Form zu bringen. Es ist das Gegenteil von einem passiven Hinnehmen oder einem bestimmten Umständen ausgeliefert sein.

Wenn wir gleich das Heilige Abendmahl feiern, kann uns das Wegzehrung für alle Wege sein und Kraft, Veränderung zu gestalten. Im Abendmahl begegnen wir einander, erkennen, dass wir nicht allein unterwegs sind, sondern in einer Gemeinschaft stehen.

Und Gott? Abendmahl heißt mehr, als nur gemeinsam in einem Kreis zu stehen. Wir glauben doch, gerade im Abendmahl Gottes Nähe ganz besonders zu erfahren, dass er uns anrührt, dass er uns Brot und Wein zu einer geistlichen Speise werden lässt, die unseren Herzen Kraft gibt, unsere Hoffnungen nicht verdorren lässt.

So gestärkt, im Vertrauen auf Gottes Mitsein, können wir uns, wie Paulus, gemeinsam auf neue Wege wagen. Ich bin sicher: Dies wird gelingen und vielleicht finden wir, wie Paulus damals, sogar neue Freunde.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus, Amen.

Lied: Aufsteh’n, Aufeinander zugeh’n (Clemens Bittlinger)

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