*Love lift us up where we belong*: Christi Himmelfahrt können wir als persönlichen Aufbruch verstehen, können Neues wagen.

Predigt über Lukas 24,50–53: Up Where We Belong – Himmelfahrt als persönlicher Aufbruch

An Christi Himmelfahrt, 26.05.2022, in Wiedenest. Veröffentlicht 26.05.2022, Stand 13.02.2024, 1572 Wörter.

Siehe auch Predigt über Lukas 24,44–53: Wohin geht die Reise nach dem Aufstieg?

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit Euch allen!

Liebe Gemeinde, der Predigttext des heutigen Himmelfahrtstags steht am Ende des Lukasevangeliums:

Er führte sie aber hinaus bis nach Betanien und hob die Hände auf und segnete sie. Und es geschah, als er sie segnete, schied er von ihnen und fuhr auf gen Himmel. Sie aber beteten ihn an und kehrten zurück nach Jerusalem mit großer Freude und waren allezeit im Tempel und priesen Gott.
— Lukas 24,50–53 (Lutherbibel 2017)

Gott, wir danken Dir für Dein Wort. Schenke uns, dass wir es fassen und zu unserem machen. Amen.

Himmelfahrt fassen?

Liebe Gemeinde, Christus kehrte vierzig Tage nach seiner Auferstehung zurück in den Himmel. Er, Gott und Mensch zugleich, gab sein Menschsein auf, zog sich zurück in die Transzendenz. Lukas beschreibt dies mit zwei Verben, um das Geschehen in Worte zu kleiden: »Als er sie segnete, schied er von ihnen und fuhr auf gen Himmel.« Scheiden und gen Himmel fahren hat heute schon bildungssprachliches Niveau. Die Basisbibel übersetzt dies allgemein verständlicher und in philologischer Hinsicht besser:

Noch während er sie segnete,
entfernte er sich von ihnen
und wurde zum Himmel emporgehoben.
— Lk 24,51, Basisbibel
(NB: Der Grundtext lautet: καὶ ἐγένετο ἐν τῷ εὐλογεῖν αὐτὸν αὐτοὺς διέστη ἀπʼ αὐτῶν καὶ ἀνεφέρετο εἰς τὸν οὐρανόν. (Lk 24,51, NTG.28) Man beachte das genus verbi, hier fällt die Lutherbibel zurück.)

Wie können wir uns das vorstellen? Kopfkino: Stellen Sie sich vor, sie wären bei diesen Jüngern gewesen, vor ihnen steht Christus, segnet Sie … und dann? Wie geht diese »Himmelfahrt« vonstatten?

Die special effects sind in Filmen durch die Digitalisierung höchst beeindruckend. Man könnte Lukas’ Bericht in einer Filmszene nachstellen. Es sähe garantiert höchst eindrucksvoll aus. Bei Star Trek gibt es ja das »Beamen«, bei dem Personen oder Gegenstände durch eine bestenfalls mathematisch beschreibbare Technik vom einen zum anderen Ort transportiert werden. Würde der himmelfahrende Jesus einer Filmszene also in einer Lichterscheinung verschwinden?

Ein Blick auf christliche Kunst zeigt: Durch die Kirchengeschichte hindurch haben Menschen immer wieder versucht, Christi Himmelfahrt zu verbildlichen. Auf Ihrem Handzettel finden Sie ein Bild, das zur Zeit Martin Luthers entstanden ist.

Hans Süß (von Kulmbach), Christi Himmelfahrt

Hans Süß (von Kulmbach): Christi Himmelfahrt, 1513.

Mir gefällt dieser Ansatz, nur noch die Füße zu zeigen, die oben aus dem Bild entschwinden, während die Jünger sich die Köpfe verdrehen, hinterherschauen. Vielleicht ist zu viel Konkretion gar nicht so hilfreich; vielleicht ist es besser, es dabei zu belassen, dass Christus zu Gott zurückgekehrt und dass die Art und Weise, wie das vor sich gegangen ist, sinnvoll kaum in Worte zu kleiden oder in Bildern zu fassen ist. Manchen Dingen muss man ihr Geheimnis lassen, darf gar nicht versuchen, sie zu entzaubern, weil sie sonst zu einem »faden Gericht« werden.

Was Himmelfahrt bedeutet

Christi Himmelfahrt bedeutet eine Zäsur für uns als Christenmenschen. Weihnachten feiern wir, dass er in die Welt kam. Dann, dies berichten die Evangelien, folgt eine lange Pause: Wir hören wenig über Jesu Kindheit, sondern die Evangelien setzen mit seinem Erwachsensein – vielmehr: seinem Wirksamwerden – wieder ein. Wir hören, wie er Jünger berief, Gottes Reich verkündigte, Menschen zur Umkehr und zu neuem Leben mit Gott aufrief, Kranke heilte und schließlich in Jerusalem hingerichtet wurde.

Er wusste, was ihn erwartete und dass er den Tod überwand, steht für ein Ende der Trennung zwischen Mensch und Gott. Nach seiner Auferstehung an Ostern war er vierzig Tage lang bei den Menschen und zeigte ihnen, dass diese Hoffnung mehr ist als nur ein schöner Gedanke.

Himmelfahrt beginnt die Epoche, die mit seiner Wiederkunft am Ende der Zeiten endet. Es ist unsere Zeit und so können wir Himmelfahrt mit unserem alltäglichen Leben verbinden – ein Beispiel: 1982 wurde ein Lied von Joe Cocker bekannt, Up Where We Belong. Unsere Musiker führen es einmal auf.

Joe Cocker und Jennifer Warnes: Up Where We Belong, Musik: Buffy Sainte-Marie und Jack Nitzsche, Text: Will Jennings, 1982.


Das Lied »Up Where We Belong«

Up Where We Belong: Nach oben – da, wo wir hingehören, wäre vielleicht eine treffende Übersetzung des Liedtitels. Christus jedenfalls ist bei seiner Himmelfahrt »nach oben« entschwunden. Dass dieses »oben« Metapher ist, ist klar. Der »Himmel« im Predigttext ist die Sphäre Gottes, das »Paradies«. Das »Oben«, das »Up« im Lied, spielt mit einer ähnlichen Bedeutung: Dass wir über die Niederungen und Lasten des Alltags erhoben würden, in sorglose, schöne Sphären. Damit eignet sich das Lied, Himmelfahrt und was das mit uns zu tun hat zu illustrieren. Ich möchte anhand einiger Liedverse Bezüge herstellen:

1. Wer weiß, was morgen bringt? Und Berge liegen auf unserem Weg … Wir erklimmen sie – Schritt für Schritt, Tag für Tag, Stufe für Stufe

Mehrfach hören wir: Wer weiß, was morgen bringt? Berge liegen auf unserem Weg … wir erklimmen sie – Schritt für Schritt, Tag für Tag. (Who knows what tomorrow brings … There are mountains in our way / But we climb a stair every day.)

Im Lied besingen Cocker und Warnes diese Frage, die wir alle uns regelmäßig stellen, manchmal in schlaflosen Nächten, voller Sorge und ohne eine Idee, wie man »den Stier bei den Hörnern packen« könnte. Es gibt ja Zeiten, da scheinen die Hindernisse sogar übermächtig …

Versuchen wir eine Antwort aus dem Glauben heraus:

Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir.
— Psalm 23,3

Der 23. Psalm drückt dies in anderen Bildern aus: Da geht es um das Vertrauen auf Gott, dass er uns gerade in Sorgen und Notzeiten nicht von der Seite weicht, sondern uns nahe ist.

Der 121. Psalm ergänzt:

Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen. Woher kommt mir Hilfe?
— Psalm 121,1

Wenn wir auf Gott hoffen, finden wir auch in schwierigen Situationen einen »Tritt«, auf den wir unseren Fuß setzen können. Das kann – mühsam nährt sich das Eichhörnchen – heißen, vorwärtszukommen, Schritt für Schritt. Und das kann in Situationen, wo es wirklich kein Vorwärts mehr gibt, heißen, einen festen Stand zu haben, sodass man nehmen kann, was da kommt.

2. Liebe erhebe uns dahin, wo wir hingehören, wo der frische Wind weht

Im Lied heißt es auch: Love Lift Us Up Where We Belong … – der Refrain scheint beinahe der eigentliche Liedtitel zu sein. Liebe erhebe uns dahin, wo wir hingehören, wo der frische Wind weht.

Das passt so sehr zu Himmelfahrt wie das Wort Jesu, das der Evangelist Johannes überliefert, der Wochenspruch:

Und ich, wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen.
— Johannes 12,32

Jesus deutet damit beim Einzug in Jerusalem an, dass er sterben, wieder auferstehen und dann zu Gott zurückkehren wird. Er ist diesen Weg gegangen, nicht ausgewichen. Ostern und Himmelfahrt, das heißt Auferstehung und Erhöhung. Auch für uns steht das bereit, Gott sei Dank.

Dieser Glaube kann Kraft geben, denn wir glauben doch, dass es Gottes Heiliger Geist ist, der durch unser Leben weht. Jesu Liebe hat uns diesen Geist geschenkt, den wir an Pfingsten feiern.

3. Manche kommen da nicht mit, verharren im Gewohnten, Leben ihr Leben im Zurückschauen

Im Lied heißt es auch: Manche kommen da nicht mit, verharren im Gewohnten, Leben ihr Leben im Zurückschauen. (Some hang on to used to be / Live their lives looking behind.) Zu glauben heißt, etwas zu wagen. Glauben heißt, auf ein Ziel zuzusteuern, das oft wenig greifbar ist, der Vernunft zu widersprechen scheint. Und in unserer Zeit wird Glaube vielfach zurückgewiesen.

Im Gewohnten zu verharren ist bequem, wer kennt das nicht. Sogar die definitiv blöden Situationen hält man dann unnötig lange aus, denn aufzubrechen und etwas zu ändern, kostet Kraft. »Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach« (Mt 26,41) sagte schon Jesus. Und manche Menschen sind auf so tief eingefahrenen Wegen unterwegs, dass sie »flexibel wie eine Bahnschiene« sind. Das erinnert an die Geschichte von Lot, der mit seiner Familie vor der Zerstörung Sodoms floh:

Und Lots Frau sah hinter sich und ward zur Salzsäule.
— Genesis/1. Mose 19,26

Schenke Gott uns die Kraft, immer wieder aufzubrechen – namentlich ins Land des Glaubens.

4. Alles, was wir haben, ist hier und jetzt – unser Leben liegt vor uns, da draußen. Der Weg ist weit …

Alles, was wir haben, ist hier und jetzt – unser Leben liegt vor uns, da draußen. Der Weg ist weit … (All we have is here and now / All our lives, out there to find.)

Im Lied klingt das positiv, da schafft es jemand, nicht im Alten zu versanden, sondern aufzubrechen – aller Schwierigkeit zum Trotz. Der Apostel Paulus spricht diesen Zwiespalt an, wenn er schreibt:

Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunklen Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, gleichwie ich erkannt bin. Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.
— 1. Korinther 13,12f

Liebe Gemeinde, Christi Himmelfahrt ist ein besonderer Tag, weil er für unsere Hoffnung steht. Wo wir unser Vertrauen auf Gott setzen, können wir auf Wege finden, die wir gar nicht gesehen haben. Veränderung muss uns dann nicht erschrecken, sondern wir können uns daran sogar, wie die Jünger bei Jesu Abreise, freuen und aufbrechen: zu gutem Ziel, up, where we belong.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus, Amen.

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