Auferstehung ist etwas, das ich an jedem Tag, mit jedem Aufbruch neu, schmecken und erleben kann.

Predigt über Johannes 11,1–44: Auferstehung

Am 16. Sonntag nach Trinitatis, 27.09.2020 in Wiedenest. Veröffentlicht 27.09.2020, Stand 13.02.2024, 1428 Wörter.

Siehe auch die ältere Predigt von 2009: Predigt über Johannes 11,1–27: Auferstehung – Aufbruch ins Leben

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit Euch allen!

Joseph von Eichendorff: Der frohe Wandersmann1

Wem Gott will rechte Gunst erweisen,
Den schickt er in die weite Welt;
Dem will er seine Wunder weisen
In Berg und Wald und Strom und Feld.

Die Trägen, die zu Hause liegen,
Erquicket nicht das Morgenrot,
Sie wissen nur von Kinderwiegen,
Von Sorgen, Last und Not um Brot.

Die Bächlein von den Bergen springen,
Die Lerchen schwirren hoch vor Lust,
Was sollt ich nicht mit ihnen singen
Aus voller Kehl und frischer Brust?

Den lieben Gott laß ich nur walten;
Der Bächlein, Lerchen, Wald und Feld
Und Erd und Himmel will erhalten,
Hat auch mein Sach aufs best bestellt!

Liebe Gemeinde, heute geht es um Aufbrüche: um alles das, was immer wieder neu wird, manchmal unter Schmerzen geboren.

Das kann buchstäblich ein Kind sein, das zur Welt, ins Leben kommt. Das kann eine Prüfung sein, die man nach vielem Lernen geschafft hat. Das kann die Tätigkeit sein, die man nach medizinischer Behandlung wieder ausüben kann.

  • Was war Ihr letzter Aufbruch?
  • Welche Anstrengungen gingen dem voraus?
  • Was kam zu einem Ende, zu Abbruch, als dieses Neue kam?

Den lieben Gott laß ich nur walten;
Der Bächlein, Lerchen, Wald und Feld
Und Erd und Himmel will erhalten,
Hat auch mein Sach aufs best bestellt!

Danken wir Gott dafür, dass wir heute hier sitzen. Und empfehlen wir ihm auch unser Scheitern an, wo Aufbrüche nicht gelungen sind oder die »Startkosten« zu hoch waren.

Im Predigttext geht es um Aufbruch. Der dem vorauslaufende Abbruch ist schlimm. Doch mit Gottes Hilfe konnte Neues werden. Ich lese aus Kapitel 11 des Johannesevangeliums, aus der Gute Nachricht Bibel:

(Joh 11,1–44) Lazarus aus Betanien war krank geworden – aus dem Dorf, in dem Maria und ihre Schwester Marta wohnten. […] Da ließen die Schwestern Jesus mitteilen: »Herr, dein Freund ist krank.« Als Jesus das hörte, sagte er: »Diese Krankheit führt nicht zum Tod. Sie dient dazu, die Herrlichkeit Gottes offenbar zu machen; denn durch sie wird der Sohn Gottes zu seiner Herrlichkeit gelangen.« Jesus liebte Marta und ihre Schwester und Lazarus. Aber als er die Nachricht erhielt, dass Lazarus krank sei, blieb er noch zwei Tage an demselben Ort. Erst dann sagte er zu seinen Jüngern: »Wir gehen nach Judäa zurück!« […]
Als Jesus nach Betanien kam, lag Lazarus schon vier Tage im Grab. Das Dorf war keine drei Kilometer von Jerusalem entfernt, und viele Leute aus der Stadt hatten Marta und Maria aufgesucht, um sie zu trösten. Als Marta hörte, dass Jesus kam, ging sie ihm entgegen vor das Dorf, aber Maria blieb im Haus. Marta sagte zu Jesus: »Herr, wenn du hier gewesen wärst, hätte mein Bruder nicht sterben müssen. Aber ich weiß, dass Gott dir auch jetzt keine Bitte abschlägt.« »Dein Bruder wird auferstehen«, sagte Jesus zu Marta. »Ich weiß«, erwiderte sie, »er wird auferstehen, wenn alle Toten lebendig werden, am letzten Tag.« Jesus sagte zu ihr: »Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer mich annimmt, wird leben, auch wenn er stirbt, und wer lebt und sich auf mich verlässt, wird niemals sterben, in Ewigkeit nicht. Glaubst du mir das?« Sie antwortete: »Ja, Herr, ich glaube, dass du der versprochene Retter bist, der Sohn Gottes, der in die Welt kommen soll.« […]
Er ging zum Grab. Es bestand aus einer Höhle, deren Zugang mit einem Stein verschlossen war. »Nehmt den Stein weg!«, befahl er. Marta, die Schwester des Toten, wandte ein: »Herr, der Geruch! Er liegt doch schon vier Tage im Grab.« Jesus sagte zu ihr: »Ich habe dir doch gesagt, dass du die Herrlichkeit Gottes sehen wirst, wenn du nur Glauben hast.« Da nahmen sie den Stein weg. Jesus blickte zum Himmel auf und sagte: »Vater, ich danke dir, dass du meine Bitte erfüllst. Ich weiß, dass du mich immer erhörst. Aber wegen der Menschenmenge, die hier steht, spreche ich es aus – damit sie glauben, dass du mich gesandt hast.« Nach diesen Worten rief er laut: »Lazarus, komm heraus!« Der Tote kam heraus; seine Hände und Füße waren mit Binden umwickelt und sein Gesicht war mit einem Tuch verhüllt. Jesus sagte: »Nehmt ihm das alles ab und lasst ihn nach Hause gehen!« (Gute Nachricht Bibel 1997)

Gott, wir danken Dir für Dein Wort. Sende Deinen Heiligen Geist, dass wir es fassen und zum unsrigen machen. Amen.

Liebe Gemeinde, der Predigttext zeichnet eindrückliche Bilder. Das Erste: Jesus erfährt von Lazarus’ Krankheit und sagt: »Diese Krankheit führt nicht zum Tod. Sie dient dazu, die Herrlichkeit Gottes offenbar zu machen.« Krankheit, Tod und Herrlichkeit kommen in einem Atemzug vor. Was für ein Gegensatz!

Das zweite Bild: Marta sagt Jesus auf den Kopf zu, dass Lazarus noch leben würde, wenn er da gewesen wäre. Doch sie mildert den Vorwurf ab, drückt ihr Vertrauen zu Jesus aus. Und er antwortet ihr: »Dein Bruder wird auferstehen.«

Das dritte Bild: Jesus ruft: »Lazarus, komm heraus!« Und das tut Lazarus. Man solle ihm alles Leichenkleid – alles, was für Tod steht – abnehmen und ihn nach Hause schicken, sagt Jesus.

Lazarus stirbt und lebt wieder. Das soll ein Zeichen sein, dass Jesus Christus ein Herr über Leben und Tod ist. Das soll der Predigttext klarmachen: Jesus ist mehr als ein Mensch und der Tod ist ihm untergeordnet.

Die Auferweckung des Lazarus vom Tod zu neuem Leben nimmt Jesu Tod und Auferstehung vorweg. Sie stellt unser Sterben am Lebensende in den Kontext eines neuen Anfangs bei Gott.

Das ist christliche Hoffnung: dass es mehr gibt als das, was uns vor Augen steht. Jetzt ist es noch verborgen, erwartet uns am Ende der Zeit. Und dann sollen wir bei Gott sein, an einem Ort, an dem alles das, was wir immer wieder als schmerzlich erleben, nicht mehr ist.2 Das ist christliche Lehre, das bekennen wir im Glaubensbekenntnis.

Auferstehung – schon heute?

Auferstehung ist aber auch ein gegenwärtiges Geschehen. Auch in unserem Alltag erleben wir sie immer wieder: Der Herbst ist jetzt da, aber im kommenden Frühjahr werden wir erleben, wie die Natur erneut aufblüht und Pflanzen wachsen, wo zuvor nur Erdreich war und alles wieder grün wird.

»Auferstehung« ereignet sich auch andernorts. Wenn jemand nach langer Einsamkeit einen neuen Menschen findet, ereignen sich Aufbrüche und oftmals entstehen sogar Frühlingsgefühle.

Vorhin haben wir an unsere Aufbrüche gedacht, wo bei uns Neues geworden ist.

Aufbrüche sind als Anfänge stets etwas Besonderes. Auf manche freuen wir uns, andere fürchten wir, so mancher kommt unverhofft. Was geworden ist, zeigt die Rückschau. Aufbrüche können zu so etwas wie Auferstehung führen.

Doch so weit müssen wir nicht gehen. In unserer Welt sehnen wir uns zuerst nach Sicherheit, nach Aufbrüchen aber meist nur dann, wenn uns das alte Leben, die alte Situation, zu eng geworden ist und nicht mehr passt.

Straße

Aufbrüche haben etwas Grundsätzliches an sich. Wer den Führerschein gemacht hat, erinnert sich vielleicht noch an die erste Fahrt: wie es war, den Motor zu starten und aufzubrechen. Die weiteren Fahrten wurden irgendwann zu Routine, nicht mehr der Rede wert. Das ändert sich manchmal, wenn man lange Zeit nicht mehr gefahren ist, ungewohnte Strecken fahren muss oder gar bei Nacht auf der Autobahn.

Dennoch wohnt jeder neuen Fahrt der Zauber der allerersten inne. Dass ich heute fahren kann, ist mit der ersten Fahrt verbunden – aller Routine zum Trotz.

Für uns ist die Taufe eine geistliche Auferstehung. Getauft zu sein bedeutet, mit Gott durch Jesus Christus verbunden zu sein, Heiligen Geist bekommen zu haben.

Auferstehung muss also kein zukünftiges Geschehen sein. Es ist etwas, das ich an jedem Tag, mit jedem Aufbruch neu schmecken und erleben kann.

In unserer Zeit erleben wir gerade viel Abbruch und Ungewissheit. Was wird anders geworden sein, wenn COVID-19 nächstes Jahr beherrschbar wird? Wie gehen wir damit um, dass unser Leben, unsere Welt durch die Pandemie so »aus der Kurve getragen« wird?

Auferstehung aus der Taufe heraus ist ein Aufbruch, manchmal ein Meilenstein auf dem Weg in das »Land des Glaubens«. Daran erinnert uns der Evangelist Johannes, wenn er über Lazarus erzählt: Wo Gott in unserem Leben ist, können immer wieder neu beginnen – sogar in schwierigen Zeiten.

Machen wir uns an ihm als unserer Kraftquelle fest, die in aller Veränderung nicht ins Wanken gerät, sondern Halt gibt: Dann können wir aufbrechen und Neues werden lassen, weil Gott an unserer Seite ist.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus, Amen.


  1. Zitiert nach http://www.zeno.org/Literatur/M/Eichendorff,+Joseph+von/Gedichte/Gedichte+(Ausgabe+1841)/1.+Wanderlieder/Der+frohe+Wandersmann (abgerufen am 24.09.2020). ↩︎

  2. Vgl. Offb 21,3f. ↩︎

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