Paulus schreibt, dass wir geistlichen Reichtum hätten. Was das eigentlich ist und bedeutet, thematisiert diese Predigt.

Predigt über 1. Korinther 1,4–10: Reich beschenkt

Am 5. So. vor der Passionszeit, 03.02.2019, in Wiedenest. Veröffentlicht 03.02.2019, Stand 06.09.2022, 1667 Wörter.

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit Euch allen!

Liebe Gemeinde, in dieser Predigt geht es um die Frage, wie Gott in unserem Leben vorkommt. Gott und ich – das ist das Thema. Gewöhnlich treibt uns diese Frage eher selten um und das macht es spannend, wenn wir uns heute damit auseinandersetzen. Wie würden Sie dieses Verhältnis für sich selbst bestimmen?

Im Predigttext schreibt der Apostel Paulus der Gemeinde im griechischen Korinth. Ich lese aus dem Kapitel eins des Ersten Korintherbriefs:

Dank für das Wirken des Geistes in der Gemeinde – 1. Kor 1,4–10 (Gute Nachricht Bibel)
Ich danke meinem Gott immerzu dafür, dass er euch durch Jesus Christus seine Gnade geschenkt hat. Durch sie seid ihr reich geworden an allem, was aus der Gemeinschaft mit Jesus Christus erwächst, an jeder Art von geistgewirktem Wort und von geistlicher Erkenntnis. Weil die Botschaft von Christus zum festen Grund eures Glaubens geworden ist, fehlt euch keine von den Gaben, die der Geist Gottes schenkt. Und so wartet ihr voll Zuversicht darauf, dass Jesus Christus, unser Herr, kommt und vor aller Welt offenbar wird. Er wird euch auch helfen, bis zum Ende fest auf diesem Grund zu stehen, sodass euch an seinem Gerichtstag niemand anklagen kann. Gott selbst hat euch dazu berufen, für immer mit seinem Sohn Jesus Christus, unserem Herrn, verbunden zu sein, und er ist treu: Er steht zu seinem Wort.

Rede, Gott, wir wollen hören. Sprich zu uns durch Dein Wort, dass wir es im Heiligen Geist zu unserem Wort machen. Amen.

Liebe Gemeinde, es sind schöne Worte, die Paulus an die Korinther schreibt: »Ich danke meinem Gott für euch.«

Paulus kannte die Leute dort gut. Er hatte die Gemeinde gegründet und eineinhalb Jahre in der Hafenstadt gelebt. Die Korinther waren alles andere als Unbekannte für ihn, viele waren Freunde. Und Paulus war so etwas wie der geistliche Vater der Gemeinde, seine Theologie hatte sie geprägt.

Später spricht Paulus aber auch Probleme in der Gemeinde offen an. Einige Korinther hatten ihren Glauben auf bedenkliche Art und Weise verstanden: Christen dürfen alles, Grenzen gelten gar nicht – das war bei einigen wohl so gewesen und sie hatten ihr Christsein als Freibrief zum Sündigen missbraucht. Wo Licht ist, da ist auch Schatten …

Im Text geht es Paulus aber um etwas anderes. Hier ist er voller Freude über die Gemeinde und das schreibt er ihnen auch. Nun ja: nicht nur ihnen. Unmittelbar vor dem Predigttext schreibt Paulus, an wen er seinen Brief jenseits der Gemeinde in Korinth richtet: »Darüber hinaus gilt unser Brief allen, die sich zu Jesus Christus, unserem gemeinsamen Herrn, bekennen und seinen Namen anrufen, wo sie auch sind.« (1. Kor 1,2)

Lassen wir die historischen Betrachtungen über die Korinther in der Mitte des ersten Jahrhunderts einmal Geschichte sein. Ein Brief an »alle, die sich zu Jesus Christus bekennen« ist auch ein Brief an uns; Paulus nennt ja kein »Verfallsdatum« für seine Worte.

Wie klingt das also, wenn Paulus uns heute Morgen schreibt: »Ich danke meinem Gott immerzu dafür, dass er euch durch Jesus Christus seine Gnade geschenkt hat«?

Schöne Worte sind das:

  • Paulus ist dankbar für Gottes Gnade.
  • Er meint, dass sie uns zum Reichtum geworden ist
  • und dass die Gute Nachricht von Jesus Christus ein Fundament für uns ist, unserem Glauben Halt gibt.

Und alles dies, schreibt Paulus, findet sich bei jeder und jedem, der zu Jesus Christus gehört, also auch uns.

Gottes Gnade in meinem Leben

Was für eine Perspektive: Wir sind also reich »an jeder Art von geistgewirktem Wort und von geistlicher Erkenntnis«!

Liebe Gemeinde, wenn Sie jetzt für sich Inventarisieren: wo und wie finden Sie das für sich?

Ich finde diese Perspektive befremdlich. Diese hier klingt doch viel vertrauter: Zuerst einmal wird doch der Wirtschaftsindex schlechter, das Wetter schlimmer, die Diesel-Politik und Trump nerven und das gesellschaftliche Klima ist auch nicht mehr das, was es mal war, mit all diesen Nationalisten, »Wutbürgern« und selbst ernannten Irgendwas-Schützern.

DAS ist doch mal eine deutsche Perspektive! Hätte Paulus so etwas in der Art geschrieben, nur halt antik: Das hätte ich nachvollziehen können.

Tut er aber eben nicht: Paulus ist dankbar für geistliches Wort und Erkenntnis, auch bei uns. Nein, mit Gemecker oder einer ordentlichen Paränese, also dass er den Korinthern mal so richtig die Wacht ansagt, damit hätte ich etwas anfangen können, auch für uns heute Morgen. Aber Dank für den geistlichen Reichtum bei uns? Nicht wahr: darüber muss man erst einmal gründlich nachdenken, bis einem dazu etwas einfällt.

Ganz gewöhnlicher Reichtum, dazu fällt uns eine Menge ein. Ja, klar, wir sind alle nicht reich und könnten dringend mehr Geld, Gesundheit, Urlaub und besseres Wetter gut gebrauchen. Aber das ist ja unsere ach so deutsche Perspektive.

Wenn wir dann dahin kommen, Reichtum bei uns zu entdecken, dann fällt uns auf, dass wir seit über siebzig Jahren Frieden und zunehmenden Wohlstand haben. Uns geht es gut! Das einzige, mit dem unser Wohlstand nicht mithalten kann, sind unsere überzogenen Ansprüche, die mit einem gerüttelten Maß an Klagsamkeit und Krisen herbeizureden gepaart sind.

Was macht mich reich? Na klar: meine Familie; mein Partner; meine Beziehung; meine Freunde; meine Arbeit; Urlaub; Reisen; Geschenke.

Nun gut, das sind zu einfache, zu oberflächliche Antworten. Mit mehr Nachdenken kommt man zwar dahin, dies alles zu schätzen, doch dann erkennt man, wie wenig im Leben selbstverständlich und garantiert ist. Dann lernt man, auch für die kleinen Dinge im Leben dankbar zu sein und in deren Verfügbarkeit Reichtum entdecken zu können. Was sind die Kleinigkeiten, die Sie reich machen?

Als alter Genussmensch kann ich für mich sagen: eine gute Tasse Kaffee. Ein gutes Buch. Ein leckeres Stück Schokolade. Ein Lächeln. Dass ich das Gefühl habe, in meinem Beruf etwas bewirken zu können. Aber das wären Punkte, die ich auf meine Liste setze – die Ihre wird wohl anders sein. Wenn Sie mögen, schreiben Sie sie doch heute Nachmittag einmal auf.

Also, wirklichen Reichtum jenseits gängiger Klischees können wir bei uns entdecken. Bloß: Paulus geht es um geistliche Gaben, geistlichen Reichtum – und zwar um meinen! Ich soll das haben, schreibt er. Was für eine merkwürdige These für jemanden im wissenschaftsgläubigen Deutschland des 21. Jahrhunderts!

Was ist denn in Bezug auf geistlichen Reichtum bei mir los? Was ist das überhaupt, geistlicher Reichtum? Und wozu sollte ich den, wenn ich ihn denn habe, brauchen?

In unserer Zeit ist der Blick auf »geistlichen Reichtum« verstellt. Religiosität ist in unserer Gesellschaft kein Thema und immer weniger Menschen trauen sich, ihren Glauben zum Thema zu machen. Frage an alle, die ein Patenkind haben: wann haben Sie zuletzt mit diesem über Jesus Christus gesprochen, also als Patin oder Pate gewirkt? Wer von uns betet eigentlich zu den Mahlzeiten und dann nicht nur automatisch aus Gewohnheit oder sonst am Tag? Nicht wahr: die Antworten auf diese Fragen kommen zusammen kaum bei einhundert Prozent an.

Hüben also unsere geistliche Armut und drüben Paulus, der schreibt: Ich danke für den geistlichen Reichtum bei allen, die zu Jesus Christus gehören.

Anders werten

Hören wir das doch einmal von der anderen Seite her. Obwohl wir es, ganz deutsch, gewohnt sind, auf den Mangel oder das Defizit zu schauen, könnten wir doch einmal statt auf’s Soll auf’s Haben schauen, wie Paulus das macht. Also: Wir haben geistlichen Reichtum, weil wir zu Jesus Christus gehören.

Wer getauft ist, kann das sagen. Ich finde, dass das eine große Chance ist. Die Taufe ist Gottes Ja zu uns, das er nicht zurücknimmt. In unserem Leben gibt es Situationen, in denen Gott uns fremd wird, machmal sogar feind. Wir finden ihn nicht mehr und der Zweifel überwiegt.

Sich dann daran zu erinnern, dass wir zu Gott gehören, kann eine müde gewordene Gottesbeziehung mit neuem Leben erfüllen. Vielleicht ist uns Gott fern. Vielleicht habe ich mehr Zweifel als Glauben. Vielleicht hat der Zeitgeist ja doch recht und ich sollte nur auf mich, mich und mich allein schauen.

Gott nimmt nicht zurück, was er mir in der Taufe versprochen hat: dass ich zu ihm gehöre. Das kann Kraft geben, auf’s Neue mit Gott zu leben, zu ihm zu beten, ihn den guten Herrn meines Lebens sein zu lassen.

Und dann finde ich den geistlichen Reichtum, von dem Paulus schreibt. Vielleicht ist dies etwas davon:

  • Dass Gott Ja zu mir sagt – komme, was da wolle.
  • Dass ich Gott alles sagen kann und dass er hört – wenn die Erhörung auch manchmal anders ist, als ich das gerne hätte.
  • Dass Gott mich auch in eine Gemeinde stellt, in der andere wie ich sind, die versuchen, mit Gott zu leben.
  • Dass Gemeinde ein Ort ist, an dem Gott thematisiert wird und wo ich erkennen kann, dass Leben mehr ist als nur satt zu sein, ein Dach über dem Kopf zu haben und ein bisschen Luxus.

Und, weitergedacht, wirft das auch Fragen auf: Bringe ich meine Gaben ein oder diene ich nur mir selbst? Habe ich ein gutes Wort für andere? Helfe ich, wo ich kann, ohne dass man mich lange bitten müsste?

Liebe Gemeinde, Paulus war für die Korinther zutiefst dankbar – dankbar für eine Gemeinde, die ziemlich schwierig war und bei der eine ganze Menge so richtig schieflief. Und, das haben wir auch aus dem Brief gehört: Für uns ist er ebenso dankbar und weiß darum, dass auch wir geistlich reich sind.

Nehmen wir das einfach mal mit. Auch wir sind als Menschen und Gemeinde vom perfekt sein weit entfernt. Paulus erinnert uns, nicht auf das Schlechte zu sehen, sondern auf das, was wir in und durch Jesus Christus haben. Das kann uns einen neuen Blick auf uns, unser Leben, unsere Gemeinde schenken. Wo es uns gelingt, können wir das Gute entdecken, uns reich beschenkt sehen. Und vielleicht setzt das auch Energie frei, in Gottes Kraft das nicht Perfekte anzugehen und es besser zu machen – Gott schenke es uns, dass unser geistlicher Reichtum solche »Zinsen« bringe.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Lied: eg 321 Nun danket alle Gott

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