Advent: Freude muss wachsen.

Predigt über Lukas 1,26–38: Von der Freude

Am 4. Advent, 16. Dezember 2016 in Wiedenest. Veröffentlicht 17.12.2016, Stand 13.02.2024, 1982 Wörter.

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit Euch allen!

Liebe Gemeinde, hören Sie den Predigttext aus dem Lukasevangelium:

Der Predigttext: Lukas 1,26–38, Die Ankündigung der Geburt Jesu (Lutherbibel 2017)

Und im sechsten Monat wurde der Engel Gabriel von Gott gesandt in eine Stadt in Galiläa, die heißt Nazareth, zu einer Jungfrau, die vertraut war einem Mann mit Namen Josef vom Hause David; und die Jungfrau hieß Maria. Und der Engel kam zu ihr hinein und sprach: »Sei gegrüßt, du Begnadete! Der Herr ist mit dir!« Sie aber erschrak über die Rede und dachte: ›Welch ein Gruß ist das?‹ Und der Engel sprach zu ihr: »Fürchte dich nicht, Maria! Du hast Gnade bei Gott gefunden. Siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben. Der wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden; und Gott der Herr wird ihm den Thron seines Vaters David geben, und er wird König sein über das Haus Jakob in Ewigkeit, und sein Reich wird kein Ende haben.«
Da sprach Maria zu dem Engel: »Wie soll das zugehen, da ich doch von keinem Manne weiß?« Der Engel antwortete und sprach zu ihr: »Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten; darum wird auch das Heilige, das geboren wird, Gottes Sohn genannt werden. Und siehe, Elisabeth, deine Verwandte, ist auch schwanger mit einem Sohn, in ihrem Alter, und ist jetzt im sechsten Monat, sie, von der man sagt, dass sie unfruchtbar sei. Denn bei Gott ist kein Ding unmöglich.« Maria aber sprach: »Siehe, ich bin des Herrn Magd; mir geschehe, wie du gesagt hast«. Und der Engel schied von ihr.

Gott, wir danken Dir für Dein Wort. Sende Deinen Heiligen Geist, dass wir es fassen und zum unsrigen machen. Amen.

Weihnachtsfreude ist nichts Alltägliches

Liebe Gemeinde, echte Weihnachtsfreude ist etwas ganz Besonderes – gerade in unserer hektischen Gesellschaft. Wissen wir nicht alle, was »Weihnachtsfreude« ist? Es sind doch unsere Kindheitserinnerungen, die wie ein kostbares Geschenk den Inhalt dieses Begriffs enthalten, Erinnerungen an Gerüche, Bilder, Begegnungen und ganz bestimmte, einzigartige Erlebnisse. Vielleicht sogar das Wetter – irgendwie ist der Gedanke an eine »weiße Weihnacht« doch sehr heimelig.

Auf dem Handzettel sehen Sie ein Bild des flämischen Malers Aelbrecht Bouts aus dem 15. Jahrhundert, »Die Verkündigung an Maria« heißt es.

Bouts: Die Verkündigung an Maria

Aelbrecht Bouts: Die Verkündigung an Maria, Löwen: um 1480. Foto: M. Platten.

Das Gemälde des flämischen Meisters Aelbrecht Bouts ist ein Weihnachtsbild, doch irgendwie eben auch nicht. Wo ist sie denn da, die Weihnachtsfreude?

Der Engel kam zu ihr und sagte: »Sei gegrüßt, Maria, der Herr ist mit dir; er hat dich zu Großem ausersehen!« Maria erschrak über diesen Gruß und überlegte, was er bedeuten sollte. Da sagte der Engel zu ihr: »Hab keine Angst, du hast Gnade bei Gott gefunden! Du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären. Dem sollst du den Namen Jesus geben. Er wird groß sein und wird Sohn des Höchsten genannt werden.
Lukas 1,28–32 (Gute Nachricht Bibel)

Nein, die »Weihnachtsfreude« fehlt in diesem Bild noch ganz eindeutig. Maria steht, die Augen beinahe geschlossen, die Arme vor der Brust gekreuzt. Nicht einmal die Andeutung eines Lächelns ist da. Wie sollte das auch sein?

Heutzutage gelten Engel als freundliche Beschützer. Schaut man in die Bibel, erfährt man anderes über Engel. Engel sind auch die Streitmacht Gottes und »HERR Zebaoth« heißt übersetzt »Herr der Heerscharen«. Daneben sind Gottes Engel immer wieder Boten, die Menschen in die Freiheit, zu neuem Leben, auf neue Wege führen.

In der Bibel jedenfalls reagieren die Menschen auf Engel erst einmal nicht mit kindlicher Begeisterung, sondern mit größtem Respekt oder Unterwerfung. Denn das war klar: Wer einen Engel sah, konnte auch sein Leben verlieren.

Ob das Gemälde noch das Erschockensein zeigt, bevor der Engel sprach? Marias fehlende Freude im Bild erklärt sich so – zu Aelbrecht Bouts Zeiten hatte man Engel noch nicht romantisch zu Schutzengeln verklärt. »Fürchte dich nicht!« sind dann auch die ersten Worte des Engels an Maria, die sich erschrocken abwendet. Freude ist in dieser Situation nicht erkennbar, denn Maria weiß gar nicht, wie sie mit diesem Besucher umgehen soll oder was jetzt kommen wird.

Lassen Sie uns davon singen:
eg 11,1.2.4 Wie soll ich dich empfangen

  1. Wie soll ich dich empfangen
    und wie begegn ich dir,
    o aller Welt Verlangen,
    o meiner Seelen Zier?
    O Jesu, Jesu, setze
    mir selbst die Fackel bei,
    damit, was dich ergötze,
    mir kund und wissend sei.
  2. Dein Zion streut dir Palmen
    und grüne Zweige hin,
    und ich will dir in Psalmen
    ermuntern meinen Sinn.
    Mein Herze soll dir grünen
    in stetem Lob und Preis
    und deinem Namen dienen,
    so gut es kann und weiß.
  3. Ich lag in schweren Banden,
    du kommst und machst mich los;
    ich stand in Spott und Schanden,
    du kommst und machst mich groß
    und hebst mich hoch zu Ehren
    und schenkst mir großes Gut,
    das sich nicht lässt verzehren,
    wie irdisch Reichtum tut.

Maria wird später zur Freude gekommen sein. Dieser Engel war ein guter, ein freundlicher Bote Gottes. Aber was für eine Nachricht brachte er: Was? Sie würde schwanger werden? Dazu brauchte man doch einen Mann! Wie bitte? Gott selbst würde machen, dass sie ein Kind bekäme?

Maria muss klar geworden sein, dass Gottes Wille zum Ziel kommen würde. »Siehe, ich bin die Dienerin des HERRn.«

Später kam sie dann zur Freude und rief:

»Meine Seele erhebt den Herrn,
und mein Geist freuet sich Gottes, meines Heilandes;
denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen.
[…] Denn er hat große Dinge an mir getan … (Lukas 1,46b–49)

Doch das zeigt das Bild eben noch nicht, sondern bleibt, einer Momentaufnahme gleich, im Augenblick des Eintretens des Engels stehen.

Mit Jesus kommt zu uns mehr als ein »holder Knabe im lockigen Haar«

Die Adventszeit ist für uns eine Zeit des Wartens. Wir sind darin ein wenig so, wie die Maria auf dem Gemälde. Mit einem Auge sehen wir Weihnachten heraufkommen, mit dem anderen erblicken wir das Zeitgeschehen mit all seinen Verpflichtungen, die uns binden.

Freuen wir uns eigentlich auf Weihnachten? Weihnachten ist traditionell eine Zeit der Familie. Das macht es aber auch anstrengend, wenn alle zusammenkommen. Weihnachten ist deshalb auch eine Zeit der Kompromisse, manchen »faulen Friedens« und vielleicht sogar des Streits. Von der Arbeit, die die Vorbereitungen mit sich bringt, ganz zu schweigen.

Je öfter man Weihnachten feiert, umso mehr wird es zu einer Routine, die man alljährlich wieder abspult. Um sich auf Weihnachten wirklich freuen zu können, bedarf es deshalb etwas ganz Wesentliches: eine adventliche Haltung.

Wie geht das, eine »adventliche Haltung« zu haben? Vielleicht ein wenig so, wie bei der Maria im Bild, die ja noch nicht bis zur Freude vorgestoßen ist. Was sie aber macht, ist dieses: Sie öffnet sich für Gottes Wirken: »Siehe, ich bin die Dienerin des Herrn«, sagt sie. Sie weiß auch noch nicht, wie das, was da kommt, sein wird. Aber sie hat den Engel deutlich gehört, der ihr sagte: »Denn bei Gott ist kein Ding unmöglich.« (Lukas 1,37)

Mit Jesus kommt mehr als ein »holder Knabe im lockigem Haar« (Lied »Stille Nacht«, eg 46,1). Mit Weihnachten kommt mehr als nur ein Aufguss desselben, mehr als die x-te Wiederholung aus den Vorjahren. Weihnachten heißt: Dieser Gott, bei dem nichts unmöglich ist, kommt in Christus in unsere Welt. Und wozu? Damit wir zu ihm kommen können.

In Jesu Handeln wird die Nähe, das Anbrechen des Gottesreiches deutlich – das ist Advent:

Als [Jesus] aber von den Pharisäern gefragt wurde: »Wann kommt das Reich Gottes?«, antwortete er ihnen und sprach: »Das Reich Gottes kommt nicht mit äußeren Zeichen; man wird auch nicht sagen: ›Siehe, hier!‹, oder: ›Da!‹ Denn sehet, das Reich Gottes ist mitten unter euch.«
Lukas 17,20–21 (Lutherbibel 2017)

Kennzeichen des Reiches Gottes sind Vergebung, Gemeinschaft und Heilung.

Vergebung: Im Advent können wir mit Gottes Hilfe das Schwierigste im Leben wagen: Vergebung zu üben. Loszulassen, was uns in Bezug auf andere und auf uns selbst bindet.

Vergebung zu üben braucht Mut und Kraft. Es bedeutet, fahren zu lassen, was Trennung, Hass und einseitige Bilder vom anderen zementiert. Viele Menschen sind dazu nicht fähig, sondern halten sich an den negativen Dingen fest, ohne zu merken, dass es nur die Bitterkeit ist, die sie festhalten und kultivieren.

Als Gott in Christus in unsere Welt kam, hat er vorgemacht, wie Grenzen überwunden werden können. Mit seiner Hilfe können auch wir Neuanfänge wagen, wo einzementierte Verhältnisse wirklich stattfindendes Leben verhindern.

Wie wäre es, wenn das gelingt? Wie würde ein Weihnachtsfest aussehen, in dem man es geschafft hat, alte, verkrustete, erstickende Setzungen zu überwinden?

Wo wir diesen Graben überschreiten, eröffnet sich eine neue Möglichkeit zu Gemeinschaft: Es heißt, den, die andere anzunehmen, so wie er, so wie sie ist, mit all den Fehlern, und Trennendes einfach mal stehen zu lassen, sich darüber hinaus weiterzuentwickeln. Wo Menschen dahin gelangen, wird es Weihnachten, denn dann werden Gräben zwar nicht zugeschüttet, aber Brücken darüber hinweg gebaut.

Und dann kann sich Heilung ereignen, wenn alle sich bemühen, die Vergangenheit ruhen zu lassen und stattdessen Zukunft zu entwickeln.

Das zu wagen, ist eine adventliche Haltung. Es ist ein »den Aufbruch in Neues hinein« wagen, ein Zurücklassen des Alten. Und dem steht man so skeptisch und freudlos gegenüber, wie die Maria, die Aelbrecht Bouts gemalt hat.

Im Vertrauen auf den Gott, bei dem nichts unmöglich ist, kann man Kraft gewinnen, das zu wagen – und zum Ziel gelangen.

Lassen Sie uns davon singen:
eg 12 Gott sei Dank durch alle Welt

  1. Gott sei Dank durch alle Welt,
    der sein Wort beständig hält
    und der Sünder Trost und Rat
    zu uns hergesendet hat.
  2. Was der alten Väter Schar
    höchster Wunsch und Sehnen war
    und was sie geprophezeit,
    ist erfüllt in Herrlichkeit.
  3. Zions Hilf und Abrams Lohn,
    Jakobs Heil, der Jungfrau Sohn,
    der wohl zweigestammte Held
    hat sich treulich eingestellt.
  4. Sei willkommen, o mein Heil!
    Dir Hosianna, o mein Teil!
    Richte du auch eine Bahn
    dir in meinem Herzen an.

Advent ist eine Aufgabe und eine Haltung zugleich, nämlich an der Verwirklichung des Reiches Gottes mitzuwirken. Das fängt im Kleinen, in unseren Beziehungen an und kann von da aus ausstrahlen.

Im Leben gibt es immer wieder Gegenteiliges, schlechtes: Krieg wie in Syrien, die Abschaffung der Meinungsfreiheit wie in der Türkei, Egoismus wie in Deutschland, wo Menschen mittlerweile über am Boden liegende Hilfsbedürftige hinübersteigen und sie sterben lassen.1 Auch das gibt es und dies sind Herausforderungen, Advent immer wieder anzuwenden, nicht nachzulassen, denn wenn diese Welt gottlos ist, dann sind wir verloren.

Freude muss wachsen

Freude ist etwas, das wachsen muss. Es gibt Situationen, in denen wir uns ganz spontan freuen, zum Beispiel, wenn alte Bekannte uns begegnen. Bei den wirklich wichtigen, großen Dingen im Leben ist es aber meist anders. Da muss man sich hineinfinden, Grenzen erkennen, Sicherheit erlangen und vertraut werden – und dann kommt sie irgendwann, die Freude.

Weihnachten ist eine besondere Zeit, in der wir unseren Blick auf das lenken können, was uns Freude bereitet. Partnerschaft, Familie und Freunde sind etwas, das man allzu leicht als gegeben hinnimmt. In Wirklichkeit sind diese ein guter Grund zur Freude. Und auch das ist ein Grund zur Freude: Jeden Tag aus Gottes Hand nehmen zu dürfen und ihn als den Hüter unseres Lebens zu wissen.

Woran können Sie sich freuen? Was haben sie in der letzten Zeit als gegeben hingenommen, sodass Ihre Freude daran stumpf geworden ist? Wie kann Weihnachten wieder die Freude in Ihrem Leben aufdecken, zum Leuchten und Klingen bringen?

Ich wünsche Ihnen, dass Weihnachten Ihnen dies wieder bewusst macht: dass es Grund zur Freude gibt. Der Blick auf Jesus Christus, den Heiland der ganzen Welt – den, der heil macht – kann dabei der Anfang sein!

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus, Amen.

Lied: eg 13 Tochter Zion

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