Advent ist jedes Jahr eine Zeit des Erwartens - doch worauf? Darum und wie Advent uns eine neue Perspektive schenken kann, geht es in dieser Predigt.

Predigt über Lukas 1,67–79: Advent – Zeit der Vorbereitung

Am Ersten Advent, 02.12.2012. Veröffentlicht 02.12.2012, Stand 02.08.2023, 1993 Wörter.

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit Euch allen!

Liebe Gemeinde, jetzt ist sie da, die Weihnachtszeit. Mit diesem ersten Advent beginnt das neue Kirchenjahr, stehen wir schon heute vor einem Neubeginn. Vielleicht ist heute sogar Zeit, um gute Vorsätze zu fassen. Bis zur Silvesternacht können diese dann reifen – vielleicht überstehen sie im neuen Jahr dann länger als ein paar Tage. Gute Vorsätze haben ja zumeist eine Halbwertszeit.

Der Predigttext für heute ist eine Vorausschau, ein Blick auf Kommendes. Wir hören darin eine Gewissheit, eine begeisterte Sicherheit anklingen, die zu haben in so mancher Lebenssituation schön wäre.

Ich lese den Predigttext aus Kapitel eins des Lukasevangeliums, das Benedictus, den Lobgesang des Zacharias:

Und sein Vater Zacharias wurde vom heiligen Geist erfüllt, weissagte und sprach: Gelobt sei der Herr, der Gott Israels! Denn er hat besucht und erlöst sein Volk und hat uns aufgerichtet eine Macht des Heils im Hause seines Dieners David – wie er vorzeiten geredet hat durch den Mund seiner heiligen Propheten –, dass er uns errettete von unsern Feinden und aus der Hand aller, die uns hassen, und Barmherzigkeit erzeigte unsern Vätern und gedächte an seinen heiligen Bund und an den Eid, den er geschworen hat unserm Vater Abraham, uns zu geben, dass wir, erlöst aus der Hand unsrer Feinde, ihm dienten ohne Furcht unser Leben lang in Heiligkeit und Gerechtigkeit vor seinen Augen. Und du, Kindlein, wirst ein Prophet des Höchsten heißen. Denn du wirst dem Herrn vorangehen, dass du seinen Weg bereitest, und Erkenntnis des Heils gebest seinem Volk in der Vergebung ihrer Sünden, durch die herzliche Barmherzigkeit unseres Gottes, durch die uns besuchen wird das aufgehende Licht aus der Höhe, damit es erscheine denen, die sitzen in Finsternis und Schatten des Todes, und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens.* 

Gott, wir danken Dir für Dein Wort. Sende Deinen Heiligen Geist, dass wir es fassen. Amen.

Wie es dazu kam …

Liebe Gemeinde, was für wundervolle Worte haben wir gerade gehört! Zacharias, ein Priester, ist der Vater von Johannes dem Täufer. Seine Frau Elisabeth hatte ihren Sohn gerade eben zur Welt gebracht und nun ruft er diesen Lobgesang aus.

Dazu hatte Zacharias allen Grund: Während Elisabeths Schwangerschaft war Zacharias verstummt. Es ist ein doppeltes Wunder, das ihm den Mund verschlossen hatte:

Als Priester hatte er im Tempel Dienst getan und am Rauchopferaltar war ihm ein Engel erschienen, hatte ihn persönlich angesprochen. Der Engel hatte Zacharias verheißen, dass er mit seiner Frau einen Sohn haben würde, den er Johannes nennen sollte.

Das ist, nach dem Engel, das zweite Wunder: dass er und seine Frau Eltern werden sollten, denn beide waren ältere Menschen.

Der Engel hatte noch mehr gesagt, hatte den Sohn beschrieben. Dessen besondere Aufgabe würde die Vorbereitung des Volkes auf den Messias, den von Gott gesandten Erlöser, sein.

Nach diesen Worten verlor Zacharias seine Stimme – bis zur Geburt, bis sein Sohn Johannes zur Welt gekommen war.

Sein persönliches Wunder von Gott hatte Zacharias jetzt erlebt. Ein Engel hatte zu ihm gesprochen; trotz ihres Alters war Elisabeth schwanger geworden; das Kind war gesund zur Welt gekommen – alles, was der Engel ihm vorhergesagt hatte, war eingetroffen. Sogar seine Stimme hatte er zum angekündigten Zeitpunkt wiedergefunden.

Für Zacharias war klar: nach all diesen Zeichen, ja: Wundern, würde sich auch die letzte Ankündigung des Engels bewahrheiten: dass sein Sohn Johannes Gottes Heiligen Geist haben und dem Messias den Weg vorbereiten würde.

Der Text

Was der Evangelist Lukas überliefert, ist ein hymnischer Text – ein Gebet, vielleicht sogar ein Lied. Gott wird darin gepriesen, nicht nur für die Geburt des kaum mehr erhofften und erwarteten Kindes, sondern vor allem aufgrund der Verheißungen, die der Engel angesagt hatte.

Wegbereiter des Erlösers, so hatte es geheißen. Was mag das für die Eltern bedeutet haben! Da wird nicht nur die Freude, dass ihr Kind gesund zur Welt gekommen war, gewesen sein, sondern auch die, dass Gott Johannes zu einem besonderen Auftrag auserwählt hatte. Mehr noch: Zacharias hatte er versprochen: Dein Sohn Johannes wird als Wegbereiter des Messias sehr erfolgreich sein und vielen Menschen Gott näher bringen.

Das ist doch etwas, was Eltern sich wünschen: nicht nur das Beste und eine gute Zukunft, sondern auch Erfolg – genau solch eine Zukunft hatte Gott ihnen durch den Engel schon für Johannes ausrichten lassen.

Interessant sind auch die Gegensätze, die der Evangelist Lukas uns im Predigttext und seiner Vorgeschichte präsentiert. Zacharias verstummt erst einmal, nachdem der Engel ihn angesprochen hatte. Nachdem er gewusst hatte, was kommen würde, brachte er kein Wort mehr heraus.

Wir alle kennen Situationen, die uns die Worte nehmen. Zumeist sind es schlimme Erlebnisse, die uns sprachlos machen – Geschehnisse, wo wir gleichsam die Hände vor dem Gesicht zusammenschlagen, nicht sinnvolles mehr sagen können.

Bei Zacharias ist das anders. Was der Engel ihm sagte, müsste ihn in lauten Jubel ausbrechen haben lassen. Stille ist es, was er stattdessen hält, Freude und Jubel bleiben gleichsam konserviert und weggesperrt. Im Predigttext erzählt Lukas, wie es zu diesem Jubel kommt, der in ein Gotteslob mündet.

Dieser Jubel wird dadurch umso größer, schöner, bedeutender, dass er nach so langer Verzögerung, der Zeit des Stummseins, laut wird. Diese stille Zeit – war sie so etwas wie ein Luftanhalten? Vielmehr ein Atemholen? Jetzt jedenfalls setzt Zacharias an und scheint kaum ein Ende zu finden, Satz reiht sich an Satz.

Lukas zeigt mit dieser Zeit der Stille und dem überschwänglichen Jubel noch etwas anderes: Es handelt sich in der Tat um so etwas wie die »Ruhe vor dem Sturm«, nur eben im positiven, besten Sinne. Diese Pause zeigt die Bedeutung des Ereignisses an, dass Johannes der Täufer geboren wurde.

Und wiederum: auch Johannes ist so etwas wie diese Zeit der Stille: Er ist es, der Jesus Christus den Weg bereit macht. Johannes ist, mit Jesus verglichen, ein »kleines Licht«, ein »stummes Atemholen« vor ihm, dem einen Wort Gottes (Joh 1).

Der Evangelist Lukas spielt hier mit dem Verstummen des Zacharias wie auch mit der Bedeutung Johannes des Täufers. Er zeigt: das, was folgt, ist wirklich wichtig. Was jetzt ist, ist nur ein Vorgeplänkel.

Wenn Zacharias sofort freudig erregt heim zu Elisabeth gelaufen wäre und ihr gesagt hätte, dass sie schwanger sei und das Kind einmal sehr wichtig, bedeutend und erfolgreich werden würde, wäre dies nichts Besonderes gewesen; das ist das Normalste von der Welt. Nein, durch die Zeit des Schweigens wird das, was er im Predigttext verkündet, umso bedeutender. Dieser Johannes wird ein Prophet sein, jemand, der Gott selbst den Weg bereitet, wenn er in seinem Sohn Jesus Christus zu uns kommt. Johannes der Täufer – er war es, der die erste Adventszeit überhaupt erlebt hat: die Zeit, bis Gott in Christus in diese Welt gekommen ist.

Advent – eine Zeit des Vorbereitens

Liebe Gemeinde, an diesem Ersten Advent geht es vielen von uns so, wie in Zacharias Geschichte. Da sind welche unter uns, die etwas erlebt haben, dass sie hat verstummen lassen. Nein, nicht vollständig. Aber es gibt Themen, um die machen wir einen Bogen, klammern sie aus, schweigen sie tot – »nur nicht daran rühren« ist das Motto.

Wieder andere schaffen es, sich in ihrem Leben zu freuen, erwartungsvoll nach vorn zu blicken.

Liebe Gemeinde, eingangs sprach ich von »guten Vorsätzen« für die kommende Zeit. Heute Morgen können wir so einen guten Vorsatz fassen: positiv in die Zukunft zu schauen und nicht nur wahrzunehmen, was nicht funktioniert, was nicht gelungen ist, was uns getroffen oder geärgert hat.

Der Predigttext ist ein Atemholen und sich bereit machen. Das können wir auch.

Weihnachten als Geburtsstunde Jesu Christi ist, neben der übrigens schwerlich bestreitbaren historischen Tatsache, auch ein Glaubensgegenstand. Wenn für Sie Weihnachten die Geburtsstunde des Menschen Jesus ist, dann haben Sie nicht viel davon. Wenn aber Weihnachten für Sie das Kommen Gottes in unsere Welt ist, dann ist dieses Ereignis genauso eines, wie es das Erscheinen des Engels für Zacharias war: ein glaubwürdiges Unterpfand dafür, dass da etwas kommt.

Dieses erwartungsfrohe Vorausblicken können, meine ich, nur Kinder. Für sie ist der Advent als Warten auf Weihnachten noch etwas Besonderes. Wir Erwachsenen sind da weit abgeklärter, kennen die Hektik der Vorbereitung und die sich wiederholenden Geschehnisse am Fest. Die zu erwartenden Dosis an Familie kann manchen gar heute schon zu leisem Stöhnen bringen.

Die theologische Bedeutung des Advents ist etwas, dass uns dem Staunen Entwachsenen doch noch ein fröhliches Herz schaffen kann. Weihnachten ist Gott in Jesus Christus schon zu uns gekommen. Er ist da und hat so eine Direktverbindung zu sich wiederhergestellt.

Liebe Gemeinde, diese Adventszeit kann, entgegen aller Hektik, die dazu gehört, durchaus besinnlich sein, wenn wir uns darauf besinnen: Gott hat uns den Himmel in seinem Kommen in Jesus Christus weit aufgerissen und uns die Hand gereicht. Wir gehören zu ihm, werden bei ihm sein, in Gottes Reich, einem paradiesischen Ort ohne Leiden, Krankheit und Finanzamt.

Zacharias erkennt die Gültigkeit der Verheißungen Gottes in der Geburt seines Sohnes und ruft: Gelobt sei der Herr, der Gott Israels! Denn er hat besucht und erlöst sein Volk und hat uns aufgerichtet eine Macht des Heils im Hause seines Dieners David – wie er vorzeiten geredet hat durch den Mund seiner heiligen Propheten –, dass er uns errettete von unsern Feinden […] und gedächte an seinen heiligen Bund und an den Eid, den er geschworen hat unserm Vater Abraham, […]

Für Zacharias ist das Heil Gottes gegenwärtig, schon da. In Jesus Christus können wir dasselbe sagen. Deshalb kann die Adventszeit eine Zeit sein, in der wir auf diesem Fundament gute Vorsätze fassen und im Gebet die notwendige Kraft finden, eine neue Perspektive zu gewinnen. Denn darum geht es in unserem Predigttext: dass wir da, wo wir uns auf Gott einlassen, eine neue Sichtweise einüben.

Wo Weihnachten für uns das Kommen Gottes in diese Welt ist und wir wissen, dass er uns abgeholt hat, können wir vieles anders ansehen, was uns schwierig scheint und Sorgen macht. So mancher Streit, so manche festgefahrene Position, so manches gut-deutsches Jammern und nach-unten-Blicken kann zu etwas anderem werden.

Vielleicht kann diese Adventszeit uns sogar zu einem Wunder führen, wie Zacharias es erleben durfte. Wie wäre das, wenn wir uns in diesem Advent darauf vorbereiten, die Bedeutung, dass Gott in unser Leben gekommen ist, neu zu bewerten?

Gott erscheint uns im Alltag oft fern und unser Christsein ist oft nur ein mechanisch geäußertes Lippenbekenntnis – wenn wir uns denn überhaupt trauen, uns zu bekennen. In diesem Advent können wir uns prüfen und fragen: Was heißt es für mich, dass Gott mich angenommen hat? Was will ich damit tun?

Wo wir erkennen, dass dies das Wunder Gottes in unseren Leben ist, kann uns das helfen, neu in die Zukunft zu blicken. Wo wir das tun, da sind wir auf unserem Lebensweg nicht nur unterwegs, oft durch dunkle Täler voller Geröll und Stolpersteinen und mit großen Lasten auf unseren Schultern. Wo wir um Weihnachten als Geburtsstunde unseres Heilands wissen, sind wir auf unserem Lebensweg zu einem Ziel hin unterwegs. Vielleicht rufen wir dann auch: »Gelobt sei der Herr! Denn er hat besucht und erlöst sein Volk und hat uns aufgerichtet eine Macht des Heils!«

Lassen Sie uns beten:

Gott, Du bist der Herr unseres Lebens. Oft vergessen wir dies, oft sind wir in der Dunkelheit unterwegs, die uns Sorgen, Streit, Krankheit, Stress und Routine bescheren. Herr, lass es uns in diesem Advent finden, das Licht Deiner Liebe. Weihachten hast Du es in Jesus Christus in diese Welt, in unser Leben gesandt. Lass es uns erneut finden, wirf es uns zu wie ein Tau für Schiffbrüchige in rauer See zu. Hab Dank dafür, dass Du Licht für unser Leben und die Dunkelheiten darin bist. Schenke uns, Dich zu sehen, damit es für uns hell und froh wird – schenk uns ein Weihnachten, das uns Dich selbst ganz neu finden lässt.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Lied: eg 7,1–5 O Heiland, reiß den Himmel auf

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