Wir sind Kirche – doch Gottes Heiliger Geist ist es, der uns dazu bringt, Kirche nach Gottes Wort zu sein.

Predigt über Apostelgeschichte 2,1–12: Von Gottes Geist geleitet

Am Pfingstsonntag, 23. Mai 2010. Veröffentlicht 22.05.2010, Stand 02.08.2023, 1999 Wörter.

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit Euch allen!

Liebe Gemeinde, Pfingsten feiern wir die Gabe des Heiligen Geistes. Fünfzig Tage sind seit Ostern vergangen. An Himmelfahrt, vierzig Tage nach Ostern, haben wir die Entrückung des Auferstandenen Jesus Christus zu Gott gefeiert. Heute nun, an Pfingsten, erinnern wir uns, dass Gott uns seinen Geist als Tröster gesandt hat, dass er uns nicht allein gelassen hat.

An Pfingsten feiern wir zugleich die Entstehung der weltweiten Kirche Jesu Christi. Das hat mit uns ganz unmittelbar etwas zu tun und deshalb – sicherlich sind sie wegen des Empfangs vorhin ein wenig erstaunt gewesen – sind Sie auch mit einem kleinen Geschenk begrüßt worden.

Pfingsten ist der Geburtstag der Kirche Jesu Christi. Deshalb sind Sie mit einem kleinen Geschenk begrüßt worden. Doch halt – bekommt nicht eigentlich das Geburtstagskind das Geschenk? Wenn Ihnen das jetzt durch den Kopf gegangen ist, dann folgen Sie mir einmal bei diesen Gedanken: Sicherlich, die Kirche, das ist ein Gebäude. Die Kirche ist eine Institution. Aber, wenn man es ganz genau nimmt, dann sind doch wir, die Getauften, Kirche. Und da wir »die« Kirche sind, haben heute an Pfingsten auch wir in gewisser Hinsicht Geburtstag. Da liegt es nahe, dass wir als Kirche auch ein kleines Geschenk bekommen. Also: herzlichen Glückwunsch und guten Appetit!

Hören Sie nun selbst, was es mit Pfingsten auf sich hat und was über das erste Pfingstfest in der Bibel steht – ich lese aus Apostelgeschichte 2:

Apostelgeschichte 2,1–12 Und als der Pfingsttag gekommen war, waren [die Apostel] alle an einem Ort beieinander. Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Wind und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. Und es erschienen ihnen Zungen zerteilt, wie von Feuer; und er setzte sich auf einen jeden von ihnen, und sie wurden alle erfüllt von dem heiligen Geist und fingen an, zu predigen in andern Sprachen, wie der Geist ihnen gab auszusprechen. Es wohnten aber in Jerusalem Juden, die waren gottesfürchtige Männer aus allen Völkern unter dem Himmel. Als nun dieses Brausen geschah, kam die Menge zusammen und wurde bestürzt; denn ein jeder hörte sie in seiner eigenen Sprache reden. Sie entsetzten sich aber, verwunderten sich und sprachen: Siehe, sind nicht diese alle, die da reden, aus Galiläa? Wie hören wir denn jeder seine eigene Muttersprache? Parther und Meder und Elamiter und die wir wohnen in Mesopotamien und Judäa, Kappadozien, Pontus und der Provinz Asien, Phrygien und Pamphylien, Ägypten und der Gegend von Kyrene in Libyen und Einwanderer aus Rom, Juden und Judengenossen, Kreter und Araber: wir hören sie in unsern Sprachen von den großen Taten Gottes reden. Sie entsetzten sich aber alle und wurden ratlos und sprachen einer zu dem andern: Was will das werden? […]«

Liebe Gemeinde, »was will das werden« … das ist doch eine berechtigte Frage in Bezug auf Kirche, nicht wahr? Ich habe mir Gedanken gemacht, wie wir diese Frage heute füllen, sie beantworten können. Dabei sind mir drei Dinge aufgefallen:

Erstens: Gottes Geist eröffnet Dialog

Dass Gottes Geist zum Gespräch führt – davon erzählt der Predigttext am Ende ganz anschaulich. Die Apostel stehen auf der Straße und reden mit anderen Menschen über ihren Glauben an Jesus Christus. Stellen Sie sich diese Szene einmal vor! Ob das heute auch möglich wäre? Themen wie Religion oder Politik gelten in unserer Gesellschaft als nicht salonfähig, weil man ja geteilter Meinung sein kann. Glaube ist Privatsache. Dies geht mit einer Erosion christlichen Glaubens einher und es sind die Angehörigen anderer Religionen, die heutzutage ihre Gotteshäuser bauen.

Damals aber war es anders. Menschen tauschten sich offen über ihren Glauben aus und die Jünger setzten ein Gespräch über christlichen Glauben in Gang, das bis heute immer noch anhält. Im Pfingstwunder wurden alle Sprachbarrieren überwunden.

Kirche, das ist der Ort, an dem das Gespräch über Glauben seinen besonderen Ort hat. Hier ist der Ausgangsort, von hier ausgehend soll Kirche wachsen und gedeihen. Damit sind wir beim nächsten Gedanken:

Zweitens: Wir als Kirche – Kirche ist immer noch im Werden

Mit Pfingsten feiern wir auch, dass Jesus Christus nicht allein zu Gottes auserwähltem Volk, den Juden, gekommen ist, sondern zu allen Menschen. In der Taufe haben wir ein Stück von Gottes Geist abbekommen. All unser Zweifeln – es wird durch Gottes Geist begrenzt, den wir in der Taufe geschenkt bekommen haben. Gottes Geist, das ist die »Verbindungsleine«, mit der wir an Gott festgemacht sind. Das kann uns Halt in allen »Stürmen« im Leben geben. Wir alle hängen so an Gott; nicht, wie Marionetten an der Leine des Spielers, sondern so wie die Lampe an der Steckdose, die ihr Kraft und Energie zuströmen lässt. Gottes Geist ist diese Kraft Gottes. Sie verbindet uns untereinander zu Kirche.

Die schlimmen Ereignisse in der römisch-katholischen Kirche, die in den letzten Wochen bekannt geworden sind, zeigen vorwiegend eines: auch wenn wir Kirche sind, ist diese Kirche doch immer noch im Werden, im Entstehen begriffen. Wir, die Getauften, sind die Steine, die auf dem Fundament Jesus Christus im Geist auferbaut werden. Doch es gibt immer wieder Situationen, in denen es nicht der Geist ist, der wirkt, sondern in denen die Menschen »das Ruder in die Hand nehmen«.

Das führt zu Fehlentwicklungen und wo sie offenbar werden, fällt es leicht, den Finger zu heben und auf »die« Kirche zu zeigen. Martin Luther hat in der Reformationszeit erkannt, dass Kirche immerzu, jeden Tag aufs Neue, der Reform, der Veränderung bedürftig ist.

Die wirkliche Kirche – das ist die, die wir kennen – ist von der wahren Kirche verschieden. So wie Kirche eigentlich sein müsste, ist sie nie. Wir nähern uns dem Ideal von Kirche immer nur an, doch wenn man es mit einem Rennen vergleichen will, landen wir immer nur auf einem der hinteren Plätze, aber nie ganz oben auf dem Siegertreppchen.

Viele Menschen wenden sich deshalb von Kirche ab oder haben das getan. Oftmals, das höre ich immer wieder, sind es persönliche Begegnungen mit einem hauptamtlich Mitarbeitenden, die dann zu Frustration und Abkehr führen. Auch die Skandale in der römisch-katholischen Kirche führten zu Austritten in der evangelischen Kirche – allerdings weiß ich gar nicht, was ich zu so viel Unwissenheit sagen soll.

Sie ist nicht perfekt, die Kirche, die der Heilige Geist an Pfingsten gegründet hat. So manches daran ist altbacken oder schlicht schlecht. Pfingsten ist der Gründungstermin einer Kirche, die im Heiligen Geist einzig und allein unter der Leitung des Evangeliums von Jesus Christus existiert. Nicht menschliche Herrschaft sollte in der Kirche gelten, sondern die Art und Weise, wie Jesus es vorgelebt hat. Fakt ist: Das gelingt uns Menschen nur selten so, wie es sein sollte.

Für uns sollte diese Unvollkommenheit aber kein Grund zur Resignation, sondern vielmehr ein Ansporn sein. Wir sind Kirche – lassen Sie uns deshalb alle darauf hinwirken, dass wir Kirche so sind, wie Gott sie will. Nun kann man sagen: aber was soll ich denn bitteschön bewirken? Ich bin doch nur eine Einzelperson und die Kirche eine riesige Einrichtung.

Lassen Sie uns eine Unterscheidung vornehmen: die Kirche, die wir sehen, messen, betreten können, das ist die sichtbare Kirche. Von den Problemen dieser sichtbaren Kirche habe ich eben reichlich genannt.

Doch wir, die Getauften, sind das, was von der Kirche als Gottesvolk sichtbar ist. Wo wir in Gottes Geist handeln, verwirklichen wir ein Stück Kirche. Die wahre Kirche, wie Gott sie will, ist in der Welt kaum zu erkennen. Doch sie wird dort etwas sichtbar, wo wir sie verwirklichen: Wo wir so handeln, wie Christus es wohl an unserer Stelle tun würde.

Damit sind wir beim letzten Punkt:

Drittens: Gottes Geist will uns als Kirche be-geistern

Wenn wir gleich – ausnahmsweise nach der Predigt – das Glaubensbekenntnis sprechen, dann ist darin ja von der »Gemeinschaft der Heiligen« die Rede. Damit sind nicht irgendwelche steinernen Figuren auf Sockeln an Kirchenwänden gemeint. Die Gemeinschaft der Heiligen – das sind wir. Uns will Gott an Pfingsten begeistern, seine Kirche zu sein.

Das Brausen, von dem wir im Predigttext gehört haben – wo kommt das bei uns vor? Ist es nicht so, dass wir mit den Worten »Gegenwind« oder »Flaute« viel mehr anfangen können? Mit den Worten »Untiefe«, »Lee« und »Rossbreiten«?

Ich meine: Gleichgültigkeit oder ein Schweigen über Glauben, das ist alles so etwas. Da geraten wir als Kirche nicht in Schub, da reduziert sich Kirche dann auch wirklich nur auf Gebäude und ein paar Leute, die sich darum kümmern.

Die Frage an diesem Pfingsten ist doch: Wo lassen wir uns begeistern, sodass wir wirklich Kirche sind? Eine Geschichte dazu:

Rüffel in einer Kirche des amerikanischen Mittelwestens: »Euer Unglaube, Schwestern und Brüder, ist ein Skandal! Wir sind hier versammelt, um ein Bittgebet an den Himmel zu richten, er möge uns nach der langen Trockenheit Regen schicken. Und was sehe ich? Nicht einer von Euch hat für den Heimweg einen Schirm mitgebracht.«

Um Kirche Gottes zu sein, sollten wir Gottes Geist zutrauen, uns dazu zu machen und darin leben. Stellen Sie sich die Kirche einmal als ein Segelschiff vor. Und stellen Sie sich vor, die Menschen an Bord bliesen nach Leibeskräften in die Segel, sodass diese sich bauschten. Doch das eine wird niemals passieren: dass das Schiff in Fahrt gerät.

Wo wir uns von Gott begeistern lassen, da ist er der Wind, der das Schiff Kirche, uns, in Bewegung setzt. Der Schub – er muss von außen kommen. Wo wir Gottes Geist Raum in uns geben, kann das geschehen.

Wie das gehen kann:

  • Indem wir auf Gottes Wort hören.
  • Indem wir mit Gott im Gespräch bleiben, im Gebet.
  • Indem wir mit anderen Menschen unseren Glauben teilen, in ihm handeln und diesen Teil unseres Lebens nicht ersticken, also
  • indem wir nicht in falscher Scham schweigen, wo wir reden sollten.

Daran erinnert uns an das Pfingstfest. Damals, beim ersten Pfingsten in Jerusalem, kam der Geist Gottes auf die Apostel, sodass sie fähig wurden, über ihren Glauben zu sprechen, ihn zu leben und so miteinander Gottes Kirche zu bauen.

Jede Christin, jeder Christ erhält in der Taufe Anteil am Geist Gottes und ist seinerseits aufgerufen, an Gottes Gemeinde mitzubauen.

Heute erinnern wir uns daran, dass Gott seinen Geist unter uns gesandt hat. Gottes Geist, das ist der »Speis«, der die Steine der Kirche zusammenhält: Er verbindet Menschen jeden Alters, jeder Herkunft, jedes Standes und Berufs, jeder Nationalität und Hautfarbe. Das ist das besondere an uns Christen, dass wir Geschwister haben, das wir eine Kirche bilden. Durch die Taufe sind wir im Heiligen Geist mit Gott und untereinander verbunden.

Uns persönlich ist der Heilige Geist die Quelle, durch die Gott uns immer wieder Kraft, Mut und Vertrauen schenkt. Für unsere Gemeinde ist der Heilige Geist der, der uns hilft, in Bewegung zu bleiben. Besonders in der heutigen Zeit, die durch solche »Flauten« wie fehlende Finanzen, Personalabbau und auch zahlreiche geistlose Situationen, die Kirche berechtigt in Verruf kommen lassen, gekennzeichnet ist, bedürfen wir des Geistes umso mehr.

Der Predigttext endete mit den Worten: »Sie entsetzten sich aber alle und wurden ratlos und sprachen einer zu dem anderen: Was will das werden?«

Wo wir das leben, dass wir Kirche sind, wird das Priestertum aller Gläubigen wieder stärker in unser Bewusstsein rücken. Für uns als Gemeinde heißt das, den Geist von Pfingsten in unseren Herzen wehen zu lassen, lebendige Zeuginnen und Zeugen für Jesus Christus in Wort und Tat zu sein.

Auch wenn der Kurs, auf dem wir als Kirche in den nächsten Jahren unterwegs sind, ungewisser sein wird als in der Vergangenheit: Dieses eine ist dabei ganz gewiss: Gottes Geist wird uns als Gemeinde führen und leiten – zu gutem Ziel.

Gut, dass wir darauf vertrauen dürfen an diesem Geburtstag der Kirche. Und gut auch, dass wir das für unser eigenes Leben wissen dürfen: dass Gott da ist und dass sein Heiliger Geist durch die Taufe auch in unserem Leben »weht«, uns zu gutem Ziel auch durch schwieriges Fahrwasser führt.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Lied: Gut, dass wir einander haben

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