Paulus zeigt, was Christus für uns bedeutet: dass er den Weg für uns zu Gott frei gemacht hat, obwohl wir von ihm getrennt sind.

Predigt über Römer 5,1–11: Schuld, Kreuz und Vergebung

Am Sonntag Reminiszere, 28.02.2010. Veröffentlicht 27.02.2010, Stand 06.09.2022, 1160 Wörter.

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit Euch allen!

Liebe Gemeinde, der Predigttext für den heutigen Sonntag Reminiszere steht in Kapitel fünf des Römerbriefs, ich lese die Verse eins bis elf aus der Lutherbibel:

Röm 5,1–11 (Luther) Da wir nun gerecht geworden sind durch den Glauben, haben wir Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesus Christus; durch ihn haben wir auch den Zugang im Glauben zu dieser Gnade, in der wir stehen, und rühmen uns der Hoffnung der zukünftigen Herrlichkeit, die Gott geben wird. Nicht allein aber das, sondern wir rühmen uns auch der Bedrängnisse, weil wir wissen, dass Bedrängnis Geduld bringt, Geduld aber Bewährung, Bewährung aber Hoffnung, Hoffnung aber lässt nicht zuschanden werden; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsre Herzen durch den heiligen Geist, der uns gegeben ist. Denn Christus ist schon zu der Zeit, als wir noch schwach waren, für uns Gottlose gestorben. Nun stirbt kaum jemand um eines Gerechten willen; um des Guten willen wagt er vielleicht sein Leben. Gott aber erweist seine Liebe zu uns darin, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren. Um wie viel mehr werden wir nun durch ihn bewahrt werden vor dem Zorn, nachdem wir jetzt durch sein Blut gerecht geworden sind! Denn wenn wir mit Gott versöhnt worden sind durch den Tod seines Sohnes, als wir noch Feinde waren, um wie viel mehr werden wir selig werden durch sein Leben, nachdem wir nun versöhnt sind. Nicht allein aber das, sondern wir rühmen uns auch Gottes durch unsern Herrn Jesus Christus, durch den wir jetzt die Versöhnung empfangen haben.

Gott, wir danken Dir für Dein Wort. Sende uns Deinen Heiligen Geist, dass es zu unserem werde.

Liebe Gemeinde, das sind schöne Worte, die Paulus schreibt. Wir hören von Gerechtigkeit, Glaube, Friede, Gnade, Hoffnung, Liebe und Versöhnung. Und das alles bettet Paulus ein in das Erleben der Gemeinde, dass dies Dinge sind, die noch im Werden begriffen sind. Die Welt der römischen Gemeinde ist ebenso wenig perfekt gewesen wie unsere heute.

Streit, Sorgen, Egoismus sind Beispiele dafür, dass wir in einer noch unerlösten Welt leben. Paulus fordert uns in diesem Briefteil dazu heraus, einen aufrichtigen Blick auf uns selbst zu werfen und nichts zu beschönigen.

Es sind auch düstere Worte, die Paulus schreibt: Wir hören von Bedrängnis, von Gottlosen, dem Sterben Jesu Christi, von Sündern, Zorn, Feinden und Tod. Und Paulus macht deutlich: Wir sind die Sünderinnen und Sünder (V. 6 und 8).

Sünde – ein schwieriges Wort

Unsere Konfis denken jetzt vielleicht: »Mahlzeit, wieder das mit den Sündern: typisch Kirche! Und was bitte schön soll das mit mir zu tun haben?« Die Antwort ist: Es handelt sich dabei um eine grundsätzliche Selbsterkenntnis, die christlicher Glauben aufzeigt. Wenn wir uns nicht mehr als Sünderinnen und Sünder verstehen können, wäre Gott für uns bedeutungslos, dann bräuchten wir keine Erlösung.

Paulus sieht das anders. Der Horizont, den er im Sinn hat, erstreckt sich über die Zeit der Entstehung der Menschheit bis zu uns heute. Wir sind noch von Gott getrennt, leben nicht in der unmittelbaren Begegnung mit ihm. Der zweite Schöpfungsbericht erzählt, dass wir Menschen uns unserer gottgegebenen Möglichkeiten bedient haben, über Gottes Grenzen und Gebot hinweg. So ist es zur Trennung zwischen uns und Gott gekommen. Das ist es, was der Begriff »Sünde« bezeichnet: Trennung von Gott, die Störung des Verhältnisses zwischen ihm und uns.

Sie dauert bis heute an. So leben wir in einer Welt, in der es gilt, das Beste aus dem eigenen Leben zu machen. Im Wirtschaftsleben, das alle Bereiche unseres Lebens mitbestimmt, erleben wir, welche »Blüten« das treibt.

Anfang Februar (2010) gab unsere rheinische Landeskirche eine Handreichung mit dem Titel Aus Leidenschaft für uns – zum Verständnis des Kreuzestodes Jesu1 heraus. Ein Gedanke darin ist der von »struktureller Sünde«.

Ein Beispiel: Oftmals kaufen wir ganz unbedarft billige Waren, die sehr billig angeboten werden. Wir freuen uns über solche Schnäppchen und über das Geld, das wir so sparen. Wie diese niedrigen Preise zustande kommen, wissen wir aber auch. Im Regelfall sind die Dinge irgendwo in Fernost gefertigt, nach unseren Maßstäben unter fragwürdigen Bedingungen. Hilfreich ist in solchen Fällen die Selbstvergewisserung, dass man ja selbst nicht viel habe, dass man niemandem weh tue und dass ja schließlich der Laden, der solche Waren anbiete, wenn überhaupt der Schuldige sei. Und so weiter. Aber dass das irgendwie zu schön ist, um wahr zu sein, das ist uns bewusst.

In der Handreichung »Aus Leidenschaft für uns« heißt es: »Von Geburt an sind wir – als Täter und Täterinnen und als Opfer zugleich – in unentrinnbare Schuldzusammenhänge verwickelt, auch wo wir uns direkt nichts vorzuwerfen haben. Wir leben in Strukturen, die wir nicht bejahen, aber auch nicht einfach verlassen können. Unser Lebensstil bringt mit sich, dass zahllose Menschen in anderen Regionen der Erde zu Opfern werden.«2

Das Fiese unserer Lebensumstände liegt darin, dass es Bereiche unseres Lebens gibt, die uns zwangsläufig schuldig werden lassen – ob wir das wollen oder nicht.

Weshalb die Macht der Sünde durchkreuzt ist

Paulus spricht uns also als Sünderinnen und Sünder an. »Wenn in der Bibel von Schuld und Sünde die Rede ist, dann geht es nicht darum, den einzelnen Menschen zu ertappen, bloßzustellen und ihn einem auf Rache sinnenden Gott auszuliefern.«3

Mit dieser »Hörhilfe« können wir die Rede von uns als Sünderinnen und Sündern heute richtig verstehen. Es ist keine Anklage, sondern eine Zustandsbeschreibung: so sind wir, können gar nicht anders sein.

Paulus spricht von uns aber als begnadigte Sünderinnen und Sündern an (V. 9). Gott selbst hat das Schema der Sünde in Jesus wirksam durchbrochen. Paulus wirft das Schuldhafte über Bord, ins Meer der Liebe Gottes: »Da wir nun gerecht geworden sind durch den Glauben, haben wir Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesus Christus« schreibt der Apostel. Wir sind der Sünde unterworfen, aber durch Christus zählt das nicht vor Gott.

In Jesus Christus ist Gott selbst in die Welt gekommen, um uns im Herrschaftsbereich der Sünde einen anderen Weg aufzumachen. In Jesu Leiden und Sterben – Paulus erinnert uns: »für uns, aus Liebe« (V. 8) – wurde der Sünde der Prozess gemacht, wurde ihre Macht durchkreuzt.4

Was wir schon jetzt verändern können

Wir erleben schmerzhaft, dass es Schuld und Tod gibt. Wo wir uns an Jesus Christus festmachen, ist auf unserem Lebensweg, trotz aller »Schlaglöcher«, »grünes Licht«: Der Weg zu Gott ist frei, auch wenn wir Sünderinnen und Sünder sind.

Heute ist der zweite Sonntag der Passionszeit. Im Kirchenjahr sind wir auf dem Weg auf Ostern hin, dem sichtbaren Fanal dafür, dass Gott den Tod für uns besiegt hat. Vielleicht können wir in den nächsten Wochen ja versuchen, mehr von Gottes Vergebung her zu leben. Und wer weiß, vielleicht gelingt es uns dann sogar hier und da, ein bisschen mehr Gerechtigkeit herstellen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.


  1. Siehe https://www.ekir.de/www/glauben/kreuzestheologie-10453.php (abgerufen am 25.02.2010). ↩︎

  2. S. 18. ↩︎

  3. S. 15. ↩︎

  4. S. 13. ↩︎

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