Auferstehung – das ist mehr als nur eine Verheißung endzeitlichen Lebens bei Gott. Sie kann schon heute geschehen und mitten im Leben greifbar werden.

Predigt über Johannes 11,1–27: Auferstehung – Aufbruch ins Leben

Am 16. Sonntag nach Trinitatis, 27. September 2009. Veröffentlicht 27.09.2009, Stand 06.09.2022, 1583 Wörter.

Siehe auch die neuere Predigt von 2020: Predigt über Johannes 11,1–44: Auferstehung

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit Euch allen!

Liebe Gemeinde, als ich am Montag Zeitung las, stieß ich auf einen Artikel, der zum Predigttext passte wie »Pott auf Deckel«. Der Journalist Peter Burghardt schrieb da unter der Überschrift »Ohne Fleiß kein Greis« folgendes:

Sie haben weiße Zähne, brauchen weder Brille noch Hörgerät: Im Tal der Hundertjährigen in Ecuador werden Menschen steinalt – über die genaue Ursache rätseln Forscher weiter. — Süddeutsche Zeitung1

Und dann beschrieb er, wie es da zugeht: In dem Kleinstädtchen Vilcabamba im Süden Ecuadors gibt es einen überdurchschnittlichen Anteil von Menschen, die über 100 Jahre alt sind. Schon in den Fünfzigerjahren wurde man darauf aufmerksam. Zivilisationskrankheiten wie Herzerkrankungen, Krebs oder Knochenschwäche kamen dort nicht vor. Brillen und Hörgerät haben die Wenigsten – das liegt nicht nur daran, dass diese uns so selbstverständlichen Hilfsmittel dort vielfach kaum bezahlbar sind, sondern auch daran, dass sie ganz einfach nicht benötigt werden.

Die Leute leben sehr einfach und arm. Selbst die ganz Alten arbeiten noch in Gärten oder auf Feldern. Viele Touristen reisen dorthin, aber auch Forscher aus den USA haben sich angesiedelt, um das Phänomen der vielen Hochbetagten kennenzulernen, es zu erforschen oder selbst von Krankheiten wiederzugenesen – was bei einigen Menschen wohl auch geschehen ist.

Als »lateinamerikanisches Shangri-La« wird der Ort bezeichnet, der so viele uralte, kerngesunde Menschen als Einwohner hat. Shangri-La ist ein erfundener Ort im Himalaja, ein fiktives kleines Paradies, ein Jungbrunnen. Solch einen Jungbrunnen wünschen sich viele Menschen und in Gesundheit alt zu werden – ist das nicht unser aller Traum?

Im Predigttext klingt ähnliches an und doch ganz anderes an, wenn es um Alt werden, um Gesundheit, um Leben geht. Hören Sie, was in Kapitel 11 des Johannesevangeliums steht:

Joh 11,1–3.17–27 (Lutherbibel revidiert 1984) Es lag aber einer krank, Lazarus aus Betanien, dem Dorf Marias und ihrer Schwester Marta. Maria aber war es, die den Herrn mit Salböl gesalbt und seine Füße mit ihrem Haar getrocknet hatte. Deren Bruder Lazarus war krank. Da sandten die Schwestern zu Jesus und ließen ihm sagen: Herr, siehe, der, den du lieb hast, liegt krank. Als Jesus kam, fand er Lazarus schon vier Tage im Grabe liegen. Betanien aber war nahe bei Jerusalem, etwa eine halbe Stunde entfernt. Und viele Juden waren zu Marta und Maria gekommen, sie zu trösten wegen ihres Bruders. Als Marta nun hörte, dass Jesus kommt, geht sie ihm entgegen; Maria aber blieb daheim sitzen. Da sprach Marta zu Jesus: »Herr, wärst du hier gewesen, mein Bruder wäre nicht gestorben. Aber auch jetzt weiß ich: Was du bittest von Gott, das wird dir Gott geben.« Jesus spricht zu ihr: »Dein Bruder wird auferstehen.« Marta spricht zu ihm: »Ich weiß wohl, dass er auferstehen wird – bei der Auferstehung am Jüngsten Tage.« Jesus spricht zu ihr: »Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt; und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben. Glaubst du das?« Sie spricht zu ihm: »Ja, Herr, ich glaube, dass du der Christus bist, der Sohn Gottes, der in die Welt gekommen ist.«

Lazarus war gestorben – kein Jungbrunnen, kein Shangri-La in Sicht. Und Maria und Martha machen Jesus Vorhaltungen, dass er, der so viele Wunder tun konnte, der so viele Menschen von ihren Krankheiten geheilt hatte, zu lange ausgeblieben war. Christus antwortet und sagt, wer er ist. Spricht von Auferstehung und Leben.

Liebe Gemeinde, es klar: Christ zu sein heißt nicht, dass man einen Jungbrunnen hat. Weiß Gott, was es in Ecuador ist; was die Menschen dort so alt werden lässt. Der Zeitungsbericht erwähnt weiterhin, dass mit der Einkehr der für unsere Lebensweise typischen Elemente die Lebenserwartung im Sinken begriffen ist – Shangri-La ist und bleibt eine Utopie, egal ob in Tibet oder Ecuador.

Wie ist es nun mit der Verheißung einer Auferstehung bestellt? Martha nennt sie und verweist auf das Ende der Zeiten. Und es ist auch gut, dass wir als Christen diese Verheißung haben: dass da mehr ist als dieses Leben. Jenseits unserer Erkenntnis hält Gott noch etwas anderes, sehr Gutes bereit.

Doch ist das alles? Ist dieser Predigttext nur auf das noch Zukünftige, noch Ausstehende hin zu verstehen? Ich meine: auch bei uns kann es schon jetzt zu so mancher Auferstehung kommen, wo wir wie Martha Glauben an Jesus Christus zulassen.

Einige Beispiele:

Auferstehung als Befreiung aus unhaltbaren Zuständen

Auferstehung wird für uns heute schon greifbar, wo wir aus Angst und Furcht heraus mit Gottes Hilfe aufzubrechen in Neues, Besseres.

  • Das kann heißen, hinter uns zu lassen, was uns das Leben schwer macht.
  • Das kann heißen, Zwänge und Gewohnheit abzuschütteln, die nicht gut für uns sind.
  • Das kann heißen, notwendige Veränderungen mutig anzugehen und nicht an Gewohntem festzuhalten, nur weil man Veränderungen scheut.
  • Das kann heißen, Loszulassen, was zu Halten zu viel Kraft erfordert.

Die Aktion »Sieben Wochen ohne« thematisiert das jedes Jahr in der Zeit vor Ostern mit einer Fastenaktion, in der es um das Loswerden überflüssiger Pfunde geht, aber auch um das »Ballastabwerfen« – eben darum, mit Gottes Hilfe Entscheidungen zu treffen und zu neuen, besseren Zielen aufzubrechen.

Wo wir aufstehen und uns aufmachen, alte Wege anders zu beschreiten, da ist bei uns ein kleines Stückchen Auferstehung geschehen und Gott kann uns dazu Kraft geben, weil er mit uns geht.

Auferstehung als Perspektivwechsel

Auferstehung kann heißen, die Welt, den Alltag, mit neuen Augen anzusehen. Das können wir aus dem Predigttext mitnehmen: dass Gott überwindet, was bei uns »tot« ist, was uns an wirklichem Leben hindert – er schenkt uns ein Glaubensleben.

Ein Beispiel dafür finde ich bei Dietrich Bonhoeffer, der in der Zeit des Dritten Reiches lebte und von den Nazis gefangen genommen war. Im Juli 1944 schrieb er in einem Gedicht, wie er eine neue Perspektive auf sich selbst und seine Situation gewinnen konnte. Bonhoeffer schrieb:

Wer bin ich?

Wer bin ich? Sie sagen mir oft, ich träte aus meiner Zelle gelassen und heiter und fest wie ein Gutsherr aus seinem Schloss.

Wer bin ich? Sie sagen mir oft, ich spräche mit meinen Bewachern frei und freundlich und klar, als hätte ich zu gebieten.

Wer bin ich? Sie sagen mir auch, ich trüge die Tage des Unglücks gleichmütig, lächelnd und stolz, wie einer, der Siegen gewohnt ist.

Bin ich das wirklich, was andere von mir sagen? Oder bin ich nur das, was ich selbst von mir weiß? Unruhig, sehnsüchtig, krank, wie ein Vogel im Käfig, ringend nach Lebensatem, als würgte mir einer die Kehle, hungernd nach Farben, nach Blumen, nach Vogelstimmen, dürstend nach guten Worten, nach menschlicher Nähe, zitternd vor Zorn über Willkür und kleinlichste Kränkung, umgetrieben vom Warten auf große Dinge, ohnmächtig bangend um Freunde in endloser Ferne, müde und zu leer zum Beten, zum Denken, zum Schaffen, matt und bereit, von allem Abschied zu nehmen?

Wer bin ich? Der oder jener? Bin ich denn heute dieser und morgen ein anderer? Bin ich beides zugleich? Vor Menschen ein Heuchler und vor mir selbst ein verächtlich wehleidiger Schwächling? Oder gleicht, was in mir noch ist, dem geschlagenen Heer, das in Unordnung weicht vor schon gewonnenem Sieg?

Wer bin ich? Einsames Fragen treibt mit mir Spott. Wer ich auch bin, Du kennst mich, Dein bin ich, o Gott!

Sein Glaube hat ihn in dieser Gefangenschaft, in die er ohne eine Anklage geraten war, nicht den Mut verlieren lassen. Das hat ihm geholfen, jeden Tag neu aus Gottes Hand zu nehmen.

Wo wir unser Leben durch die »Lupe des Glaubens« betrachten, können wir eine andere Perspektive gewinnen, die sich über die Normen und Regeln unseres Alltags hinauserstreckt. Wenn wir uns bewusst machen, wo und wie Gott uns im Leben trägt und bewahrt, kann es bei uns mitten im Alltag kleine »Auferstehungen« zu gelingendem Leben geben.

Auferstehung als Beginn eines neuen Lebens

Solch eine Perspektive auf unser Leben bereichert uns schon jetzt. Wenn wir Gott suchen und uns für ihn öffnen, entdecken wir sein Handeln. Das stärkt unseren Glauben, unsere Beziehung zu Gott und das ist es, was für uns wie ein Shangri-La sein kann. Doch anders als dieses bleibt es keine Fiktion oder ein Traumbild. Wo wir uns unseren Glauben bewusst machen, können wir neue Kraft finden, neue Aufbrüche wagen, über den Alltag und alle Gewohnheit hinausblicken. Anders gesagt: Wir können zu einem neuen, reicheren Leben auferstehen, weil Gott bei uns ist. Das kann uns frei werden lassen von den Dingen, die uns bedrücken oder, wie Dietrich Bonhoeffer schrieb, »heiter und gelassen«.

Auferstehung als Verheißung eines Lebens bei Gott

Auferstehung kann sich da ereignen, wo wir mit Gott neue Wege beschreiten. Das kann unser Leben neu machen. Doch Auferstehung, das hören wir im schon im Predigttext (V. 24), ereignet sich nicht nur, wo wir uns für Gottes Handeln öffnen. Auferstehung ist uns in der Taufe für das Ende der Zeiten verheißen worden: Wir werden am Ende der Zeiten bei Gott leben, haben Hoffnung über dieses Leben hinaus.

Und was alle Shangri-Las und Jungbrunnen angeht, so heißt es doch in der Bibel über Gott: »Bei dir ist die Quelle des Lebens, und in deinem Lichte sehen wir das Licht.« (Psalm 36,10) Schenke Gott uns offene Herzen, ihn im Glauben zu finden und mit ihm immer wieder neu aufzuerstehen zu gelingendem Leben.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.

Lied: Du gibst das Leben, das sich wirklich lohnt.


  1. S. http://www.sueddeutsche.de/leben/786/488186/text/, (abgerufen am 25.09.2009). ↩︎

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