Wir sehnen uns nach so vielem – auch nach gelingendem Leben und Zukunft. Bei Gott können wir es finden, doch das heißt auch, anders messen und bewerten zu lernen.

Predigt über Matthäus 20,1–16: Von Maßstäben und Balance

An Septuagesimae, 08.02.2009. Veröffentlicht 08.02.2009, Stand 06.09.2022, 1794 Wörter.

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit Euch allen!

Ich wär‘ so gerne Millionär …

Liebe Gemeinde, letzten Samstag war es so weit: 35 Millionen Euro waren im Lotto-Jackpot. Und zwei Leute haben die richtigen Kreuzchen gemacht, sind jetzt Multimillionäre.

Freiwillige vor: Stellen Sie sich einmal vor, Sie wären einer der Gewinner – was würden Sie tun? …

Nun, Sie hören, es gibt verschiedene Ideen. Wer im Lotto so richtig gewinnt, der hat eine ganze Reihe Probleme. Das einfachste lässt sich mit einem Witz illustrieren:

Der Rabbi von Chicago ist ein passionierter Golfspieler. Leider regnet es die ganze Woche lang ununterbrochen, und so kann er kein Golf spielen. Doch dann, an einem Sabbatmorgen: wunderschönes Wetter! Da Menschen jüdischen Glaubens am Sabbat weder arbeiten noch sich sportlich betätigen dürfen, steckt der Rabbi in einer verzwickten Lage. Er stellt sich die Frage: »Gott oder Golf?« Er schaut nochmals aus dem Fenster: Der Rasen glänzt und kein Wind, einfach perfektes Golf-Wetter. Fünf Minuten später steht er auf dem Golfplatz, natürlich getarnt, und zielt auf das Loch. Petrus hat das alles gesehen und meint zu Gott: »So willst du ihn doch nicht wegkommen lassen?« – »Natürlich nicht«, meint der HERR. Der Rabbi steht an einem 5-Par-Loch, schlägt den Ball, der Ball fliegt und fliegt – genau in das Loch hinein. Da meint Petrus zu Gott: »Was war denn das jetzt? Soll das eine Strafe sein?« »Nun«, sagt Gott und lächelt, »wem will er es erzählen?«

Wem will man es erzählen, dass man gewonnen hat? Von wem will man sich ausnehmen lassen wie eine Weihnachtsgans?

Menschen spielen Glücksspiele wie Lotto, weil sie Lust auf einen hohen Gewinn haben. Etwas, mit dem man endlich den grauen Alltag hinter sich lassen kann, endlich seine Träume verwirklichen kann. Endlich tun und lassen kann, was man will. Ohne einen nervigen Boss, der morgens die Stechuhr kontrolliert. Ohne einen Vermieter, der an den Reparaturen gerne spart. Ohne eine Bank, bei der man auf dem Kontoauszug immer ein rotes »S« hinter den Zahlen am Monatsende liest. Und so weiter. Alles das wäre Schnee von gestern, würde man im Lotto so richtig abräumen.

Und doch: Das hieße auch, dass sich das Leben veränderte. Man lebte in ständiger Angst, wem man vertrauen kann. Man kann mit niemandem reden. So vieles von dem, was einen ausmacht, wird umgekippt und so viele Wege wie mit einem »Durchfahrt verboten«-Schild versperrt. Kurz gesagt: Mancher Lottosegen entpuppt sich als Fluch, weil er das gewohnte Leben zerstört und uns von dem abschneidet, was wir sind und was uns Wurzeln im Leben haben lässt. So manch »himmlischer« Lottogewinn macht das Leben zur Hölle.

Gottes Maßstäbe sind völlig anders

Der Predigttext für heute ist ein Himmelsreichgleichnis. Der Evangelist Matthäus überliefert diese Erzählung Jesu, mit der er etwas über Gott, über den Himmel aussagt. Es ist ein aufrüttelndes, irritierendes Gleichnis, und das soll es auch ganz bewusst sein.

Mt 20,1–16 Jesus sprach: Denn das Himmelreich gleicht einem Hausherrn, der früh am Morgen ausging, um Arbeiter für seinen Weinberg einzustellen. Und als er mit den Arbeitern einig wurde über einen Silbergroschen als Tagelohn, sandte er sie in seinen Weinberg. Und er ging aus um die dritte Stunde und sah andere müßig auf dem Markt stehen und sprach zu ihnen: Geht ihr auch hin in den Weinberg; ich will euch geben, was recht ist. Und sie gingen hin. Abermals ging er aus um die sechste und um die neunte Stunde und tat dasselbe. Um die elfte Stunde aber ging er aus und fand andere und sprach zu ihnen: Was steht ihr den ganzen Tag müßig da? Sie sprachen zu ihm: Es hat uns niemand eingestellt. Er sprach zu ihnen: Geht ihr auch hin in den Weinberg. Als es nun Abend wurde, sprach der Herr des Weinbergs zu seinem Verwalter: Ruf die Arbeiter und gib ihnen den Lohn und fang an bei den letzten bis zu den ersten. Da kamen, die um die elfte Stunde eingestellt waren, und jeder empfing seinen Silbergroschen. Als aber die ersten kamen, meinten sie, sie würden mehr empfangen; und auch sie empfingen ein jeder seinen Silbergroschen. Und als sie den empfingen, murrten sie gegen den Hausherrn und sprachen: Diese letzten haben nur eine Stunde gearbeitet, doch du hast sie uns gleichgestellt, die wir des Tages Last und Hitze getragen haben. Er antwortete aber und sagte zu einem von ihnen: Mein Freund, ich tu dir nicht Unrecht. Bist du nicht mit mir einig geworden über einen Silbergroschen? Nimm, was dein ist, und geh! Ich will aber diesem letzten dasselbe geben wie dir. Oder habe ich nicht Macht zu tun, was ich will, mit dem, was mein ist? Siehst du scheel drein, weil ich so gütig bin? So werden die Letzten die Ersten und die Ersten die Letzten sein. Denn viele sind berufen, aber wenige sind auserwählt.

Liebe Gemeinde, als ich das Gleichnis wieder einmal las, merkte ich, wie ich mich zu ärgern begann. Ich stellte mir vor, ich wäre einer der Arbeiter, die am Morgen eingestellt worden sind:

Okay, ich habe also für heute einen Job. Gott sei Dank. Heute Abend kann ich meiner Familie Essen bieten. Es hat geklappt. Und so lege ich los, zuerst noch voller Freude, mir etwas verdienen zu können. Doch dann steigt die Sonne höher und höher. Die Kühle des Morgens weicht dem Glutball am Himmel und mit schwindender Freude merke ich, dass ich mir diesen Tageslohn verdammt hart verdienen muss.

Nach und nach stellt der Chef weitere Leute ein; es geht ihm wohl nicht schnell genug; aber wenigstens meckert er nicht. Und schließlich, am Abend, schleppe ich mich ganz ausgelaugt nach unten auf den Platz, reihe mich in die lange Schlange vor seinem Tisch ein, warte auf den Lohn.

Irgendwann merke ich auf. Zornige Stimmen werden laut. Vorne krakelt einer mit hochrotem Kopf herum, andere gesellen sich dazu. Was ist das? He, wieso bekommen die Leute, die erst am späten Nachmittag dazugekommen sind, denselben vollen Tageslohn wie ich? Und ich soll wirklich nicht mehr bekommen für diese elende Schufterei? Ist denn das zu glauben? Das stinkt doch zum Himmel, was dieser unfaire Kerl da macht, nur weil ihm der Laden gehört!

Liebe Gemeinde, das Verstörende an diesem Gleichnis ist die darin beschriebene Ungerechtigkeit. Nicht wahr, wenn man das hört, sich da hineinversetzt, spürt man, wie der Puls in die Höhe geht.

So soll es im Himmel sein? Na, wenn das so aussieht, dann können wir doch verzichten!

Wettkampf, Unabhängigkeit, Träume … heutzutage erleben viele Menschen eine harte Bauchlandung von all ihren Träumen

Aber halt, denken wir ein Stück weiter. Der Mensch im Gleichnis hat das Gefühl, eine harte Bauchlandung gemacht zu haben – seltsam, denn er hat sich verdient, was er zum Leben braucht. Das hat er auch bekommen. Doch er ist ganz unzufrieden, weil andere trotz kleinerer Leistung dasselbe bekommen. Zu ihnen ist Gott großzügig, doch dem Mensch im Gleichnis erscheint er plötzlich ungerecht, obwohl er die Vereinbarung einhält.

Das wurmt uns alle, was wir da gehört haben. Und das soll es auch, deshalb hat Jesus dieses Gleichnis ganz bewusst genau so erzählt. Was dem lang und hart Arbeitenden wie eine Bauchlandung vorkommt, muss für einen von den zuletzt Angestellten, wie ein Lottogewinn wirken. Jackpot geknackt! Eine Stunde Arbeit, kompletten Lohn kassiert – und das ohne Manager bei der Deutschen Bank zu sein! Und was geschieht? Sofort sind andere eifersüchtig, gönnen das nicht, wollen selbst etwas abhaben.

Gottes Gerechtigkeit ist so anders – wir werden uns wundern, wer alles im Himmel ist

Was Jesus seinen Zuhörerinnen und Zuhörern über das Himmelreich sagen will, zäumt er mit diesem Gleichnis regelrecht von hinten auf. Gottes Gerechtigkeit und Maß ist anders als das unsrige, das ist die Botschaft. Wo wir kleinkariert nachmessen und richten, schenkt Gott. Das können wir nicht verstehen, wenn wir wie im Lottofieber nur auf Gewinn aus sind oder uns und unser Handeln selbst bewerten.

Im Gleichnis hat der Besitzer jedem dasselbe gegeben – das, was zum Leben, zur Existenz, unerlässlich ist. Ist das ungerecht? Vielleicht. Aber spielen wir folgenden Gedanken durch: Was wäre, wenn er nur den Lohn für diese letzte Stunde ausgegeben hätte? Dann hätten die Leute, die den ganzen Tag über niemand eingestellt hätte, nicht genug gehabt, sich und ihrer Familie Essen zu kaufen. Wenn wir anders denken, dann legen wir den Maßstab unserer Gesellschaft an Gott an und versuchen, ihn Gott überzustülpen. Gott stellt aber keine Ein-Euro-Jobber ein, das ist die Botschaft, sondern er macht aus allen anständig bezahlte Leute.

Was kann uns das nun sagen? Wenn wir das Gleichnis hören, dann schlagen wir uns automatisch auf die Seite des Menschen, der den ganzen Tag über hart gearbeitet hat.

Doch sind wir solche Leute vor Gott? Wohl kaum. Vorhin im Schuldbekenntnis ging es um das, was wir immer wieder an Fehlern begehen, an Schuld auf uns laden. Und Gnade Gott dem, der so tumb geworden ist, dass er sein eigenes Fehlen nicht mehr erkennt, sondern von sich denkt, stets alles richtigzumachen, keine Schuld auf sich zu laden und nur die Splitter im Auge der anderen sieht.

Wir werden uns wundern, wem wir alles im Himmel begegnen. Denn Gott ist unsere Leistung ziemlich egal. Fromme Rekorde müssen wir nicht begehen. Um zu Gott zu gelangen, ist nur eines nötig: Glaube an Jesus Christus.

Es gibt vieles, dem wir nachjagen. Dem Traum vom Glück. Der Traum von Lottogewinn. Dem Traum von … ergänzen Sie selbst!

Vielem jagen wir hinterher. Gottes so andere Maß blickt auf den Glauben. Das ist es, was zählt. Und, das zeigt das Gleichnis: bei Gott zählt auch ein bisschen Glaube, wenn er, allen Zweifeln zum Trotz, ernst gemeint ist. Ein kleines bisschen, wie eine Kerze im Wind, wie ein Arbeiter, der erst kurz vor Arbeitsende hinzukommt. Das genügt. Versuchen wir es!

Lassen Sie uns beten:

Herr, du weißt um meine Hoffnungen. Du kennst meine Sehnsüchte, worum sich mein Herz verzehrt. In Jesus Christus hast Du mir den Weg zu Dir geebnet. Hab Dank dafür, dass er das einzige ist, was ich im Herzen haben muss, um zu Dir zu gelangen. Hab’ Dank dafür, dass Du mich in der Taufe durch ihn mit Dir verbunden hast für alle Zeit. Und Du stehst zu Deinen Vereinbarungen, darauf kann ich vertrauen. So bitte ich Dich: stärke diesen Glauben in mir. Hilf mir, Deinen Glauben in meinem Herzen zu finden und ihn in der Welt, im Alltag Folgen haben zu lassen. Hab Dank dafür, dass ich keine Rekorde dabei aufstellen muss. Aber hilf mir auch, es wirklich zu probieren und es nicht nur bei einer schönen Gewissheit zu belassen. Ich danke Dir dafür durch Jesus Christus, Deinen Sohn, meinen Herrn.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Lied: Kommt, atmet auf, ihr sollt Leben

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