Gott schenkt uns überreich, was wir zum Leben benötigen. Jesus Christus zeigt uns, wie wir mit ihm alles Leben feiern können – anders, als mancher meint …

Predigt über Johannes 2,1–11: Das Leben feiern

Am zweiten Sonntag nach Epiphanias, 18.01.2009. Veröffentlicht 18.01.2009, Stand 06.09.2022, 2094 Wörter.

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit Euch allen!

Liebe Gemeinde, zwei reiche Ladies treffen sich auf dem Boulevard. »Wie geht es Ihnen, und was macht eigentlich Ihr Sohn?« – »O mir geht es gut, und mein Sohn ist Rechtsanwalt in einer großen Kanzlei. Er verdient gut und kümmert sich rührend um mich. Er ruft mich jede Woche an und erfüllt mir jeden Wunsch. Und wie geht es Ihnen, und was macht Ihr Sohn?« – »O mir geht es auch sehr gut, mein Sohn ist ein richtiger Lebenskünstler. Er geht zweimal die Woche zu einem berühmten Psychiater. Und was meinen Sie, worüber er für 100 Dollar die Stunde mit ihm spricht: über mich!«

Mütter … Sie ziehen einen auf, vermitteln so grundlegende Dinge wie Sprache, Werte, Verhalten usw. Was wäre ohne Mütter aus uns geworden!

Freilich, das weiß jedes Kind, können Mütter einen auch ganz schön aufregen. Manchmal denken sie für einen und nötigen einen, Dinge zu tun, die man gar nicht tun will. Der Satz »Nimm doch noch eine Portion!« ist ein harmloses Beispiel, auch wenn diese Portion dann, ohne dass man selbst die Hände bewegte, auf dem Teller landet …

Selbst Jesus kannte das. In Maria hatte er eben eine Mutter, Heiland hin und Messias her. Hören Sie den Predigttext, aus Kapitel zwei des Johannesevangeliums:

Joh 2,1–11 Und am dritten Tage war eine Hochzeit in Kana in Galiläa, und die Mutter Jesu war da. Jesus aber und seine Jünger waren auch zur Hochzeit geladen. Und als der Wein ausging, spricht die Mutter Jesu zu ihm: Sie haben keinen Wein mehr. Jesus spricht zu ihr: Was geht’s dich an, Frau, was ich tue? Meine Stunde ist noch nicht gekommen. Seine Mutter spricht zu den Dienern: Was er euch sagt, das tut. Es standen aber dort sechs steinerne Wasserkrüge für die Reinigung nach jüdischer Sitte, und in jeden gingen zwei oder drei Maße (Ein Maß sind ca. 40 Liter). Jesus spricht zu ihnen: Füllt die Wasserkrüge mit Wasser! Und sie füllten sie bis obenan. Und er spricht zu ihnen: Schöpft nun und bringt’s dem Speisemeister! Und sie brachten’s ihm. Als aber der Speisemeister den Wein kostete, der Wasser gewesen war, und nicht wusste, woher er kam – die Diener aber wussten’s, die das Wasser geschöpft hatten –, ruft der Speisemeister den Bräutigam und spricht zu ihm: Jedermann gibt zuerst den guten Wein und, wenn sie betrunken werden, den geringeren; du aber hast den guten Wein bis jetzt zurückbehalten. Das ist das erste Zeichen, das Jesus tat, geschehen in Kana in Galiläa, und er offenbarte seine Herrlichkeit. Und seine Jünger glaubten an ihn.

Das erste Zeichen seiner Herrlichkeit: Jesus lässt sich von seiner Mutter, die sein Nein großzügig überhört, dazu nötigen, circa 600 Liter allerbesten Tafelweins zu schaffen. Das sind, auf unsere Konsumgewohnheiten umgerechnet, ungefähr 800 Flaschen. Sicherlich wird nicht nur Maria am nächsten Morgen Kopfschmerzen gehabt haben.

Hochzeit zu Kana

Hochzeit zu Kana. Codex Egberti, Fol 20v (ca. 980–993 n. Chr.).

Es ist schon erstaunlich, dass der Evangelist Johannes, der sieben Machttaten als Zeichen der Göttlichkeit Jesu überliefert, dieses als Erstes beschreibt. Machttaten – früher wurde dafür auch gerne das Wort Wunder gebraucht.

Dies nun überliefert Johannes irritierenderweise als erstes Zeichen der Göttlichkeit Jesu. Jesus Christus wurde und wird doch gerne als Paradebeispiel für ein »ordentliches« Verhalten angeführt. Nüchtern, das war der Jesus, den so manche und mancher gerne anführt. Die Hochzeit zu Kana, die Tempelreinigung, Jesu Umgang mit den damals sozial oder religiös Gebrandmarkten und Ausgegrenzten – alles das wird nicht als Anregung genommen, eigene Vorstellungen zu überdenken. Jahrhundertelang wurde in der Christenheit eine unbiblische und unchristliche Leibfeindlichkeit gepflegt und Jesus Christus für diese Idee als Paradefigur in Anspruch genommen.

Leibfeindliche Tendenzen sind aus verschiedenen philosophischen Richtungen ins Christentum hineingeschwappt und haben auch das Mönchtum bis in die Neuzeit hinein beeinflusst. Aber, wie gesagt: Biblisch ist das nicht und Jesus Christus lebte anderes. Auch Martin Luther wandte sich von asketischen Tendenzen sehr deutlich ab und betonte: Es ist der Glaube an Jesus Christus, durch den wir gerettet werden.

Hier nun erfahren wir im Evangelium selbst: Jesus hat auf einer Feier den Wein mitgebracht. Und zwar so viel Wein, dass es wohl für eine ganze Reihe von Feiern gereicht hätte. Das mag manches Weltbild erschüttern und wirft die Frage auf: Was können wir für uns daraus lernen?

Sicherlich nicht, dass Jesus ein Säufer gewesen wäre und dass ein »guter Christenmensch« – was darunter zu verstehen ist, wäre Thema einer anderen Predigt – ein ausschweifendes, zügelloses Leben führen sollte. Aber wir können zwei Gedanken mitnehmen: zuerst, dass leibfeindliche Ideen oder »Übungen«, um Gott gefälliger zu sein, nicht unserem Glauben entsprechen. Zum Zweiten: Jesus war nicht nur Gott, er war auch Mensch – das macht der Predigttext deutlich.

Jesus ganz Mensch – Menschen feiern das Leben

Jesus ganz als Mensch – das zeigt sich in der Reaktion, als seine Mutter ihn voller Stolz einmal »vorführen« will. »Seht her: Mein Sohn« – dieses Programm wird Maria bewegt haben. Und wer könnte ihr das verdenken oder gar Übel nehmen! Eltern wollen auch zurecht auf ihre Kinder stolz sein und sich an deren Erfolgen freuen dürfen.

Freilich: den Kindern ist das nicht immer so ganz recht. Den Wein hat Jesus dann jedenfalls so gründlich besorgt, dass wohl Maria erst einmal geschluckt haben dürfte – nicht den Wein – als sie die Menge sah.

Das Feiern, das Jesus dadurch weiterhin – oder auch dann erst so recht – möglich gemacht hat, ist doch ein ganz typisches Kennzeichnen für uns Menschen. »Alles hat seine Zeit«, heißt es im Buch des Predigers Salomo. Doch es gibt nicht nur Zeiten der Arbeit, Zeiten des Trauerns, Zeiten des Krank seins, Zeiten des alt seins – es gibt auch eine Zeit des Feierns.

Feiern, das ist Ausdruck verdichteten Lebens. In einer Feier geht es zuallererst um unser Lebendigsein als Menschen. Das klingt erst einmal seltsam: Feiern als Feiern der Lebendigkeit. Einige Beispiele zur Illustration:

  • Als wir geboren wurden, haben unsere Eltern gefeiert, die neu dazu gewordenen Großeltern, Onkeln und Tanten, die Nachbarn und so weiter eingeladen – sie sind Eltern geworden: Ein neuer Lebensabschnitt hat für sie begonnen.
  • Die Geburtstagsfeiern sind das wohl schönste Beispiel dafür, dass unsere Feiern Feiern des Lebens sind. Jedes neue Lebensjahr wird freudig begrüßt und voller Dankbarkeit blicken wir zurück auf das Vergangene, in dem Gott uns bewahrt hat.
  • Konfirmation, Schulabschluss, Ausbildungs- oder Studienende, Hochzeit, die eigenen Kinder, Jubiläen – bei all diesen Feiern geht es an Schaltstellen, an Übergängen des Lebens darum, das zu feiern.

Eine Feier lebt von der gefeierten Lebendigkeit. Wir feiern auch jetzt gerade, nämlich Gottes Dienst an uns, dass er uns begegnet. So ein Gottesdienst ist feierlich. Der Raum ist außergewöhnlich, nichtalltäglich, und die Form, die wir aufgrund unseres kulturellen Hintergrunds dieser Feier in der Liturgie zugrunde legen, ist ernst. Wären wir in einer farbigen Gemeinde in den USA, würde jetzt wohl »die Post abgehen« und wir wären ziemlich irritiert.

Die Form einer Feier muss zum Anlass und zum Verständnis desselben, den die Feiernden haben, passen. Im Gottesdienst ist es feierlich-ernst, weil es um die Begegnung mit Gott dem Herrn unseres Lebens geht. Wie könnten wir da ausgelassen sein; das wäre respektlos.

Doch feierte man eine Hochzeit wie einen Sonntagsgottesdienst, dann wäre dies ein schlechter Dienst am Brautpaar. Geht es hier ganz feierlich um die Begegnung mit dem Heiligen, geht es dort ganz festlich um die aufwogenden Gefühle, dass ein Mann und eine Frau einander gefunden haben, dass Gott ihnen Liebe füreinander geschenkt hat, dass die beiden als Einheit durchs Leben gehen wollen.

Wunderbar, auch wenn es in unserer Welt heute, durch eine überbetonte Unabhängigkeit, vielfach nur bei einer schönen Hochzeitsfeier, den guten Zeiten und ganzen vier Ehejahren – so lange dauert im Schnitt eine Ehe in Deutschland – bleibt und die Eheleute sich dann trennen. Was das in Folge für Kindern, die dann schon da sind, im Regelfall bedeutet, wissen wir alle schmerzlich.

Dennoch: Eine Hochzeit ist eine Feier des Lebens, der Liebe des Brautpaares und des Ausblicks, dass aus dieser Liebe neues Leben entstehen kann.

Menschen feiern das Leben und der Mensch Jesus war in Kana bei solch einem, in diesem Fall dem Anlass gebührend fröhlich-ausgelassenen, tagelangen Fest dabei. Und sicher wird dabei auch über den Durst getrunken worden sein – dieser mehr als halbe Hektoliter Wein war ja nicht weggeschlossen.

Auch das gehört dazu: dass es Ausnahmen gibt, in denen man über die Stränge schlägt. Das ist Leben.

Jesus ganz Gott – Feiern als Abglanz der himmlischen Freuden

Feiern kann ein Abglanz der himmlischen Freuden sein. Die Hochzeit zu Kana ist ein Beispiel dafür; der Bericht, wie Jesus 5.000 Menschen speiste, ein anderes und es gibt noch weitere. Wo es in einer Feier um die Freude am Leben geht, wo es auch ausgelassen, aber nicht im Exzess endet, und wo der Bezug zu und auf Gott gewahrt bleibt, kann eine Feier vielleicht eine Idee davon vermitteln, was wir Christen im Glauben nach diesem Leben wissen: dass das Reich Gottes ein Ort der Freude ist, ein Ort voller Lebendigkeit und Leben bei dem, der alles Leben geschaffen hat und es über den Tod hinaus erhält, vollkommen macht.

Eine mittelalterliche Geschichte erzählt:

Als Gott die Welt schuf, fragte er die Tiere nach ihren Wünschen. Er hörte sie alle an und erfüllte ihre Wünsche. Als die Menschen davon erfuhren, wurden sie unwillig, weil sie nicht gefragt wurden. »Wir können mit dieser deiner Welt nicht zufrieden sein«, stellten sie hart und unmissverständlich fest! »Das sollt ihr auch nicht«, erwiderte Gott, »eure Heimat ist nicht diese Erde, nur die Überraschungen der Ewigkeit allein.« Seitdem tragen die Tiere ihre Augen zur Erde, der Mensch aber geht aufrecht und schaut zum Himmel.

Einen ersten Blick auf Gottes Reich erhaschen wir in der Bibel. In den Evangelien hören wir von dem, was wir einst mit eigenen Augen sehen werden. Und ist es nicht erstaunlich: Wo Jesus Christus den Himmel beschreibt, da greift er oft auf das Bild einer Feier, eines rauschenden Festes zurück, sei es die Geschichte von den klugen und törichten Jungfrauen oder das Gleichnis vom großen Festmahl (vgl. Mt 22.25).

Der Predigttext beginnt mit den Worten: »Und am dritten Tage war eine Hochzeit …« Das passt zu dem gerade genannten Gleichnis von den klugen und törichten Jungfrauen (Mt 22), ist der Bräutigam in diesem Gleichnis doch Christus selbst. Am dritten Tage ist er vom Tod zu neuem Leben auferstanden – der »Bräutigam« hat also allen Grund zu einem rauschenden Fest, zu schierem Leben: Die Erzählung über die Hochzeit zu Kana können wir auch als Fingerzeig auf die Bedeutung der Auferstehung Jesu am dritten Tag verstehen.

Epiphanias – Erscheinung Christi, seine Macht wird offenbar

Im Kirchenjahr sind wir gerade in der Epiphaniaszeit, in der es darum geht, dass in Jesus Christus Gottes Handeln sichtbar geworden ist. Im Predigttext haben wir anschaulich davon gehört. Vielleicht haben Sie bei sich gedacht: Das hätte ich bei meiner Hochzeit auch gut gebrauchen können?

Gott hat ein anderes Maß, das ist die Botschaft. Er schenkt überreich, was wir zum Leben brauchen. Er hat uns in eine wunderbare Welt gestellt, auch wenn wir, mit der Geschichte gesagt, oftmals zum Himmel blicken, uns schon jetzt nach »mehr, höher, schneller, breiter« sehnen und als Hans-guck-in-die-Luft den Blick für das Schöne in unserem Leben aus den Augen verlieren.

Liebe Gemeinde: Gott handelt. Das tat er, als er alles Dasein ins Leben rief. Das tat er, als er in Christus solche überdeutlichen Hinweise auf sich selbst gab – er zerstörte nicht, sondern heilte, feierte, brachte Leben, die Fülle.

Wenn wir Gottesdienst feiern, vielleicht auch ein wenig steif, unbeholfen und trocken im Versuch, es mit unseren Mitteln feierlich zu gestalten – dann können wir uns von Gott berühren lassen. Er, der uns in der Liebe unserer Eltern und der Taufe schon einmal berührt hat, begegnet uns immer wieder.

Lassen Sie uns die Augen und Herzen für ihn aufhalten und erkennen, wo und wie er an uns an allen Tagen handelt. Gott will für uns ein überreiches Leben. Und am Ende der Zeiten wird er auch uns zum großen Fest in sein Reich führen.

In diesem Glauben können wir schon heute anders leben, voller Freude und Zuversicht. Gerade in schweren oder traurigen Zeiten kann uns das Mut machen. Gottes anderes, überreiches Maß kann uns erinnern: Er will für uns Leben überreich – auch jenseits dessen, was wir erkennen können, trotz alledem, was wir als Abbruch erleben.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Lied: eg 66 Jesus ist kommen, Grund ewiger Freude

Seite teilen: WhatsApp · Telegram · Threema · Threads · Facebook · E-Mail