Was brauchen wir, um Gottes Wort zu hören? Was machen wir aus dem Gehörten?

Predigt über Apostelgeschichte 6,1–7: Ora et labora

Am 13. Sonntag nach Trinitatis, 17.08.2008, in Bernberg. Veröffentlicht 17.08.2008, Stand 06.09.2022, 1574 Wörter.

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit Euch allen!

Liebe Gemeinde, »Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht« (Mt 4,4 nach Dtn 8,3) sagt Jesus. Und doch: das ganz unmittelbar Lebensnotwendige, und dafür ist Brot das Synonym schlechthin, ist auch unerlässlich, wenn es darum geht, Gottes Wort zu hören. Als der Prophet Elia nicht mehr konnte und davonlief, gab ihm ein Engel zuerst einmal zu Essen. Und dann begegnete Elias Gott (vgl. 1. Kön 18).

In der ersten Christengemeinde in Jerusalem trat ein ähnliches Problem auf: Nicht alle hatten zu essen, und die Besinnung auf Gott war wegen vieler Probleme vernachlässigt worden.

Hören wir den Predigttext, in dem Lukas in Kapitel sechs seiner Apostelgeschichte über die Probleme der jungen Kirche berichtet:

Apg 6,1–7 In diesen Tagen aber, als die Zahl der Jünger zunahm, erhob sich ein Murren unter den griechischen Juden in der Gemeinde gegen die hebräischen, weil ihre Witwen übersehen wurden bei der täglichen Versorgung. Da riefen die Zwölf die Menge der Jünger zusammen und sprachen: Es ist nicht recht, dass wir für die Mahlzeiten sorgen und darüber das Wort Gottes vernachlässigen. Darum, ihr lieben Brüder, seht euch um nach sieben Männern in eurer Mitte, die einen guten Ruf haben und voll heiligen Geistes und Weisheit sind, die wir bestellen wollen zu diesem Dienst. Wir aber wollen ganz beim Gebet und beim Dienst des Wortes bleiben. Und die Rede gefiel der ganzen Menge gut; und sie wählten Stephanus, einen Mann voll Glaubens und heiligen Geistes, und Philippus und Prochorus und Nikanor und Timon und Parmenas und Nikolaus, den Judengenossen aus Antiochia. Diese Männer stellten sie vor die Apostel; die beteten und legten die Hände auf sie. Und das Wort Gottes breitete sich aus, und die Zahl der Jünger wurde sehr groß in Jerusalem. Es wurden auch viele Priester dem Glauben gehorsam.

Problem erkannt, Problem gelöst – man könnte meinen: Die Urgemeinde war eine Gemeinde, in der Schwierigkeiten erkannt und gelöst wurden. Da wurde zugefasst und nicht erst lange geredet.

Kirche handelte ab Beginn diakonisch

Am Anfang der Apostelgeschichte schreibt Lukas über die Menschen in der entstehenden Kirche: »Sie blieben aber beständig in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet.« (Apg 2,42). Die Urgemeinde war ein Ort großer, wachsenden Gemeinschaft. So schön, wie es klingt, war es nicht. Schon bald, nachdem die Kirche entstanden war, kamen die im Predigttext genannten Probleme auf. In der Urgemeinde war nicht nur eitel Sonnenschein und Eintracht.

Im Predigttext hören wir von der Not einiger Frauen und von einer großen sozialen Ungerechtigkeit, denn die einen Witwen wurden versorgt, doch andere eben nicht. Vielleicht war es so, dass es Gemurre gegeben hatte, mit der Zeit das Klagen lauter geworden war. »So kann das nicht weitergehen!« hat vielleicht Petrus gesagt und sich mit seinen Mitaposteln beraten. »Nichts als Probleme bereiten sie uns, alle diese Fremden« – so ein Satz wird in der Beratung vielleicht laut geworden sein. »All diese Witwen, die aus dem Ausland hergezogen sind! Seit Jahren kommen die Leute aus der Diaspora ins Land und wollen beim Tempel wohnen – na gut, das kann man verstehen. Wollen wir ja auch. Aber die Frage stelle ich: sind wir dann zuständig, wenn diese Frauen ihre Männer überleben und versorgt werden müssen?«

Denn das war die Situation. Die vielen Judenchristen aus der Diaspora – das sind kleine jüdische Gemeinden gewesen in Gebieten, wo die übrigen Menschen Gott nicht verehrten – diese Menschen wollten ihren Lebensabend in der Nähe des Tempels verbringen. Ihr Leben lang hatten sie die Tempelsteuer entrichtet. Nun wollten sie dort sein.

Wie heute, so auch gestern: die Männer starben meist vor ihren Frauen und die blieben dann zurück. Rente war in der Antike noch nicht erfunden und so waren die Witwen darauf angewiesen, dass entweder ihre Männer sie ausreichend versorgt zurückließen oder die Familie sich um sie kümmerte. Da muss viel und große Not geherrscht haben.

In der Gemeinde war vieles noch im Werden, im Entstehen begriffen, aber eines war schon damals wichtig: Dass Christenmenschen eine unterschiedslose Gemeinschaft der Kinder Gottes sind. Und da konnte es nicht sein, dass einige versorgt und andere übergangen werden.

Die Apostel haben sich einer Lösung angenommen, haben gleich zwei Probleme gezähmt:

Zum einen wurden mit den Armenpflegern Leute eingesetzt, die die brennenden existenziellen Probleme der Witwen lösen sollten. Das heißt: Sie trugen dafür Sorge, dass das ganz unmittelbar Lebensnotwendige, Essen, zur Verfügung stand. Der Beruf des Diakons entstand, eben des Dienstes am Nächsten.

Verkündigung und Gebet ist Brot für die Seele

Zum anderen sorgten die Apostel dafür, dass Jesu Wort »Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht« (Mt 4,4 nach Dtn 8,3) wieder zur Geltung kam. Die Not der Witwen hatte die Gemeinde wohl so sehr beschäftigt, dass Gottes Wort zu kurz gekommen war. »Wir aber wollen ganz beim Gebet und beim Dienst des Wortes bleiben« (Apg 6,4) sagten die Apostel.

Beim Blick in den Grundtext entdeckte ich: für das »… beim Dienst des Wortes bleiben« steht da das Wort Diakonie. Denn das sich beschäftigen mit Gottes Wort ist auch notwendig, ist auch Dienst und Diakonie.

Lassen Sie es mich am Beispiel einer Erfahrung zeigen, die wir wohl alle schon gemacht haben: Es gibt Situationen im Leben, da sind wir in Not. Vielleicht nicht in Not um Brot und Nahrung, aber doch um Menschen, Situationen oder Dinge, die uns ganz wichtig sind. Was ist denn zu Beispiel, wenn ein Familienmitglied, ein Kind oder Partner, einen Unfall erleidet oder plötzlich schwer erkrankt?

In solchen Zeiten kreisen wir doch, mit all unserer Kraft, mit allen Gedanken nur darum, wird alles Weitere zweitrangig und stiefmütterlich behandelt. Alle alltäglichen Arbeiten werden so schnell es geht erledigt, und dann widmet man sich wieder ganz dem Anderen.

»Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Worte Gottes« – vielleicht sind es besonders solche Notzeiten, in denen wir uns hier und da mit Gott beschäftigen, zu ihm rufen im Gebet, seinen Beistand erflehen und hoffentlich erfahren: Er gibt Kraft; sein Wort hilft, durchzuhalten.

Im Predigttext klingt ein Doppeltes an: es geht darum, füreinander da zu sein und es geht darum, sich mit Gott zu beschäftigen. »Wir aber wollen ganz beim Gebet und bei der Diakonie am Wort bleiben« – diese Aussage der Apostel ist das Rezept, auch in Notzeiten von Gott versorgt zu werden. Die andere Diakonie ist der Beistand der Mitchristen im Gebet, in handfester Unterstützung, einem guten Wort – eben so, wie wir es können. Für unsere Mitmenschen da zu sein, ist auch uns aufgetragen.

Von Gott nicht zu lassen, sondern ihm unser Herz auszuschütten kann helfen, Schwieriges zu überstehen. Manchmal sagen wir Gott, was uns beschwert, ziehen aber selbst nicht alle Register und tun, was wir zur Lösung machen können. Eine Beispielgeschichte:

Das Mietshaus hat acht Wohnungen. Einige der Mieter leben schon lange darin: zwischen zwanzig und dreißig Jahren. So die drei alten Damen. Sie sind inzwischen alt geworden und ihr Leben wird zunehmend beschwerlicher. Es sind nur drei Stufen vor der Haustür, aber die haben es in sich. Um sie zu überwinden, müssen sie sich inzwischen an der Hauswand abstützen. Eine der Frauen hat bemerkt, dass die Nachbarhäuser seit einiger Zeit mit Geländern ausgestattet sind. Das teilt sie den anderen mit. Es muss also im Bereich des Möglichen liegen, ebenfalls ein Geländer für die Treppe vor der Haustür zu erhalten.
»Aber wie?« – fragt sie sich selbst und fast jeden, der ihr begegnet. Monate vergehen. Meinungen werden ausgetauscht, Gespräche werden geführt. Das Murren nimmt zu und auch die Überzeugung, dass ein Geländer dringend her muss, noch vor dem Winter. Eine der Frauen lässt sich zum Baumarkt fahren, um zu schauen, was ein Geländer kostet. Eine andere fragte in der Nachbarschaft, wie man denn da zum Geländer gekommen sei, und erhält die Antwort, dass ein Neffe dafür gesorgt habe. Sie trauen sich nicht, die Hausverwaltung direkt anzusprechen. So wird weiter untereinander beraten, dann werden die Kinder eingeschaltet, bis es irgendwann endlich jemand übernimmt, das Anliegen bei der Hausverwaltung anzubringen.
Es dauerte keine Woche, bis das Problem gelöst wird. Die Kosten wurden von den Vermietern getragen. (Carmen Jelinek)

Diese Geschichte illustriert großen Einsatz, doch an der falschen Stelle. Wären die Damen doch direkt zum Vermieter gegangen! Alle möglichen Gründe hielten sie davon ab, doch eben keine guten.

Um Hilfe zu fragen, wenn man sie braucht, ist nicht leicht. Wer will schon Hilfe in Anspruch nehmen? Was kann man als Gegenleistung geben? Und ebenso schwer ist es, Probleme offen anzusprechen. Gott Dinge im Gebet zu sagen ist das eine, doch andere Menschen anzusprechen, eine andere. Das braucht oft Mut. Vielleicht kann uns der Predigttext ermutigen, das zu wagen.

Im vorletzten Vers des Textes schreibt Lukas, dass die Apostel für die Diakone beteten und sie segneten. Auch wir beten miteinander und im Fürbittengebet für andere. Auch wir erfahren Gottes Segen als Kraftausrüstung für alles, was kommt.

Wie die Urgemeinde damals wissen wir Gott unter uns. Deshalb sollten wir Mut finden, so wie die ersten Christinnen und Christen damals miteinander umzugehen, miteinander beten und füreinander da sein. Wo uns das gelingt, wird Gottes Wort unter uns immer weiter wachsen als Gute Nachricht, da wird es zum Brot für unsere Seele.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

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