Abbruch und Erneuerung gehen im Leben Hand in Hand. Paulus zeigt, wie ich mit Christus weiter schauen kann.

Predigt über 2. Korinther 4,14–18: Weiter schauen

An Jubilate. Veröffentlicht 21.04.2024, Stand 21.04.2024, 1277 Wörter.

Siehe auch die Predigt von 2012: Was bleibt?

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit Euch allen!

Hören wir den Predigttext aus dem Zweiten Korintherbrief:

Gott hat Jesus, den Herrn, vom Tod auferweckt, und ich weiß, dass er mich genauso wie Jesus auferwecken und zusammen mit euch vor seinen Thron stellen wird. Ich tue ja das alles für euch! Die Botschaft von Gottes Gnade soll immer mehr Menschen erreichen, und der Dank dafür soll überströmen zur Ehre Gottes.
Darum verliere ich nicht den Mut. Die Lebenskräfte, die ich von Natur aus habe, werden aufgerieben; aber das Leben, das Gott mir schenkt, erneuert sich jeden Tag. Die Leiden, die ich jetzt ertragen muss, wiegen nicht schwer und gehen vorüber. Sie werden mir eine Herrlichkeit bringen, die alle Vorstellungen übersteigt und kein Ende hat. Ich baue nicht auf das Sichtbare, sondern auf das, was jetzt noch niemand sehen kann. Denn was wir jetzt sehen, besteht nur eine gewisse Zeit. Das Unsichtbare aber bleibt ewig bestehen. (μὴ σκοπούντων ἡμῶν τὰ βλεπόμενα ἀλλὰ τὰ μὴ βλεπόμενα· τὰ γὰρ βλεπόμενα πρόσκαιρα, τὰ δὲ μὴ βλεπόμενα αἰώνια.)
— 2. Korinther 4,14–18 (Gute Nachricht Bibel)

Gott, wir danken Dir für Dein Wort. Sende Deinen Heiligen Geist, dass wir es fassen und zum unsrigen machen. Amen.

Liebe Gemeinde, am heutigen Sonntag geht es um das, was mit Gott in unserem Leben neu wird. Ostern steht für ein Neuwerden wie kaum ein anderes Fest: sogar der Tod findet seine Grenze. Zu Erneuerung fällt mir das Wort renovatio ein. Es bedeutet, dass etwas wieder ertüchtigt, eben neu wird, dass jemand wiedergeboren wird.

Alt oder neu?

Als ich darüber nachdachte, fiel mir auf, dass dies kein ausschließlich religiöses Thema ist, sondern ein alltägliches, das das Leben durchzieht.

In der Natur sehen wir Erneuerung. Unsere Erde funktioniert als geschlossener ökologischer Kreislauf mit einem Hand-in-Hand-Gehen von Abbruch und Erneuerung: Im Herbst müssen die Blätter runter von den Bäumen, damit im Frühjahr Neues werden kann.

Leben verläuft in Phasen, alles hat seine Zeit und wenn eine neue Phase, ein neuer Lebenskreis, beginnt, kommt Altes zum Abbruch.

Wie finden Sie dies in Ihrem Leben? Haben Sie noch viele Freunde aus Kindergartenzeiten oder sind es einzelne? Aus der Volks- oder Grundschulzeit? Der weiterführenden Schule? – Die meisten Leute, mit denen wir damals zu tun hatten, sind wohl weg, bleiben seltene Erinnerungen oder zufällige Begegnungen.

Die Abschiede aus solchen Zeiten fallen manchmal schwer. Was lässt man alles zurück, wenn etwas zu Ende kommt! Doch wie der Baum das Laub im Herbst nicht halten kann, gehört Abbruch zum Leben dazu: Wenn wir im Alten verharren, kann nichts Neues werden.

Baumstumpf mit neuem Sprößling

Bild von Juncala auf Pixabay.

Abbrüche fallen schwer

Das klingt altvertraut, auch wenn man es manchmal vergisst. Wenn immer alles so bleibt, wie es ist, fühlt sich das gut an. In der Wirtschaft wird dies als Stagnation gefürchtet, ist nur wenig besser als Niedergang. Wenn die Zahlen sich nicht in die richtige Richtung verändern, gibt es ein Problem.

Besonders das Altwerden ist eine Zeit, die – so erlebe ich das – praktisch von allen als besondere Herausforderung gesehen wird. Darin gibt es Abbruch, zum Beispiel wenn man nicht mehr Arbeiten darf – jüngere Leute verstehen diesen Satz heute zunehmend nicht mehr. Wenn Freunde allmählich versterben, man seinen Partner verliert, sind dies heftige Abbrüche. Die Gesundheit gehört auch dazu. Und wie ist das, wenn man das Gefühl hat, nicht mehr gebraucht zu werden? In unserer Gesellschaft ist es schwer, »zum alten Eisen« zu gehören.

Erneuerung

Im Predigttext wird dem Abbruch Erneuerung gegenübergestellt. Zum Thema Erneuerung fallen mir einige Tätigkeitswörter ein:

  • renovieren
  • sanieren
  • ausmisten
  • abnehmen und trainieren
  • lernen
  • wachsen

Das sind alles Gegenbilder zu Abbruch, denn wenn ich so handle, wird aus etwas, das ich als »zu wenig« wahrnehme, mehr. Eines ist diesen Wörtern gemeinsam: so etwas anzufangen kostet Kraft. Neues braucht zum Werden Raum und Zeit.

Das Frühlingswetter macht es leicht, nicht den Mut zu verlieren. Sonnenschein, Wärme und das Aufblühen überall hebt die Laune, selbst wenn der Blick nach unten geht.

»Blick nach unten« – da ist Paulus dabei. Die Apostelgeschichte beschreibt, welche Widrigkeiten er erdulden musste: Leid, Gefangenschaft, Verfolgung, Krankheit und immer wieder Abbrüche.

Paulus schreibt dazu: »Ich verliere nicht den Mut. Die Lebenskräfte, die ich von Natur aus habe, werden aufgerieben; aber das Leben, das Gott mir schenkt, erneuert sich jeden Tag.«

Erneuerung erfordert Handeln. Auch die eigene Haltung zu ändern, wie ich Dinge bewerte, kostet Kraft. Paulus notiert, dass Gott seine Kraftquelle ist. Der Schöpfer wirkt immer noch, macht immerzu alles neu.

Paulus beschreibt seinen Weg zur Erneuerung so: »Ich baue nicht auf das Sichtbare, sondern auf das, was jetzt noch niemand sehen kann.«

Wie ich Erneuerung erleben kann – Meditation

Wie kann ich diese Erneuerung, von der Paulus schreibt, erleben – besonders dann, wenn ich nur Abbruch wahrnehme? Ein Weg dazu ist, mir Zeit für Gott zu nehmen. Meditation kann dabei helfen.

Heute denken wir bei diesem Wort gleich an fernöstliche Praktiken wie Yoga oder ähnliches, doch im Christentum gibt es Meditation schon lange. Meditieren bedeutet im Wortsinn, über etwas nachzudenken, sich in Gedanken oder die Betrachtung einer Sache zu versenken.1 Untersuchungen zeigen, dass dies wirkt: Der Blutdruck kann beispielsweise niedriger werden, Stresshormone nach aufregenden Ereignissen weniger ausfallen, die Zufriedenheit steigen und Schmerzen und Depressionen sich verringern.2

Zum Meditieren bedarf es nicht viel, ein ruhiger Ort und eine Viertelstunde genügen. Falls Sie es ausprobieren möchten: Setzen Sie sich gerade hin, legen Sie die Hände ab. Mit einem kurzen Gebet können Sie die Meditation einleiten. Lenken Sie Ihre Gedanken auf ein Wort oder einen Vers, zum Beispiel den Wochenspruch, die Tageslosung oder einen Bibeltext. Vielleicht sprechen Sie es laut aus und schließen die Meditation mit einem Gebet ab.

Es erfordert am Anfang ein wenig Durchhaltevermögen, dahin zu kommen. Die Ritualisierung mit einem gleichförmigen Anfang und Ende hilft, eine Erinnerung im Kalender auch. Erleichtert wird es, wenn man mit einigen wenigen Minuten Zeit anfängt, vielleicht einen Timer stellt. In unserer Gemeinde gibt es sonntags Abends um neunzehn Uhr in der Kreuzkirche »Geschenkte Stille«.

Paulus hat versucht, jeden Tag aus Gottes Hand zu nehmen: »Das Leben, das Gott mir schenkt, erneuert sich jeden Tag.« Meditation ist ein Weg, dies selbst zu erfahren.

Paulus’ Ausblick – was bleibt

Paulus schließt mit den Worten: »Denn was wir jetzt sehen, besteht nur eine gewisse Zeit. Das Unsichtbare aber bleibt ewig bestehen.« Schaut man in den Grundtext fällt auf, dass Paulus mit der Sprache spielt. »Was wir jetzt sehen, besteht nur gewisse Zeit« – das Wort, das Paulus für die »gewisse Zeit« (πρόσκαιρα) gebraucht hat, kann man auch mit vergänglich, augenblicklich oder wetterwendisch übersetzen; in jedem Fall ist der von ihm bezeichnete Zeitraum kurz.3 Den Gegensatz zum gegenüberliegenden »ewig« (w.: αἰώνια) gestaltet Paulus viel deutlicher, als dies in der Übersetzung anklingt.

Liebe Gemeinde, wir leben in aufregenden Zeiten. Vieles ändert sich, daraus entstehen viele Fragen. Mit Paulus können wir festhalten: Dies alles sind Perioden, Phasen, begrenzte Zeiträume. Bei Gott »ticken die Uhren anders« – »Denn tausend Jahre sind vor dir wie der Tag, der gestern vergangen ist« (Ps 90,4) heißt es im neunzigsten Psalm.

Gott bleibt – diesen Hinweis können wir aus der Predigt mitnehmen. Bei allen Veränderungen und Unwägbarkeiten heutzutage lohnt es sich, Vertrauen auf Gott zu wagen. Mit ihm kann Leben gelingen, können wir Zukunft gestalten. Dann können wir bei allen Abbrüchen über das Hier und Jetzt hinaus weiterschauen: Bei Gott werden wir neu, jeden Tag.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus, Amen.


  1. Vgl. https://www.dwds.de/wb/Meditation, abgerufen am 17.04.2024. ↩︎

  2. Vgl. https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Meditation&oldid=242018842#Effekte_von_Meditation, abgerufen am 17.04.2024. ↩︎

  3. Vgl. Art. πρόσκαιρος in Langenscheidts Großwörterbuch Altgriechisch-Deutsch (Menge-Güthling), Berlin 29. Aufl. 1997. ↩︎

Seite teilen: WhatsApp · Telegram · Threema · Threads · Facebook · E-Mail